– Rezension meines neu erschienen Buches: Feindbild Islam und institutioneller Rassismus. Menschenrechtsarbeit in Zeiten von Migration und Anti-Terrorismus

In der Jungen Welt vom 14.05.2018 erschien auf Seite 15 (Politisches Buch) eine Rezension von Prof. em. Dr. Norman Paech, Staatsrechtler aus Hamburg.

Eine weitere Veranstaltung mit Vorstellung des Buches ist geplant in der Jungen Welt Ladengalerie, Torstr.  6, 10119 Berlin am Donnerstag, den 12.07.2018 um 19:00 h. Nähere Angaben folgen.

Rezension meines Buches

Rassistischer Sicherheitsstaat

Norman Paech, Eberhard Schultz hat die institutionelle Pflege des »Feindbildes Islam« untersucht

Eberhard Schultz: Feindbild Islam und institutioneller Rassismus. Menschenrechtsarbeit in Zeiten von Migration und Anti-Terrorismus. VSA, Hamburg 2018, 224 Seiten, 15,80 Euro

Nun hat Deutschland einen Antisemitismus-Beauftragten, der den Kampf gegen den Antisemitismus im staatlichen Auftrag aus dem Innenministerium heraus aufnehmen soll. Den Initiatoren wird dabei kaum entgangen sein, dass die historischen Wurzeln des jetzigen Antisemitismus bis zum Beginn des Christentums zurückzuverfolgen sind und er auch durch alle zivilen und staatlichen Maßnahmen aus einem tiefen christlichen Schuldgefühl heraus nicht überwunden werden konnte. Auch der neue Beauftragte wird scheitern, aber vielleicht ist sein Plan B im Hintergrund auch ein ganz anderer. Denn er könnte darüber hinwegtäuschen, dass »die Kombination aus christlichem Schuldgefühl über den Antisemitismus, weltweiter Unterstützung Israels durch die Juden und der in den Augen des Westens bestehenden Nützlichkeit Israels als Element der politischen Stabilisierung in der Region mit den größten Ölvorkommen der Erde dazu geführt hat, dass der sogenannte islamische Terrorismus zum großen Feindbild der 1990er Jahre erhoben wurde«.

Diese These Immanuel Wallersteins teilt auch Eberhard Schultz in seinem Buch über das »Feindbild Islam und institutioneller Rassismus«. Und in der Tat ist es heute der islamische Terrorismus, der den Kommunismus als gefürchteter Dämon abgelöst hat und nicht nur zur Legitimation der letzten Kriege gegen die Staaten des Mittleren Ostens herhalten muss, sondern auch mit der innerstaatlichen Feinderklärung dem Ausbau eines autoritären Hochsicherheitsstaates dient.

Dieses rassistische Feindbild, welches jetzt auch noch mit einem spezifischen »muslimischen Antisemitismus« belastet wird, hat eine nicht minder tiefe Verankerung in der deutschen Geistesgeschichte bis zu Kant und Hegel. Und es hat der Demokratie in diesem Land schon mehr Schaden zugefügt als die einzelnen Anschläge und die exaltierte Beschwörung des Antisemitismus. Schultz präsentiert dazu reiches Anschauungsmaterial aus seiner Praxis als Rechtsanwalt, das sich mit der staatlichen Verfolgung »böser Moslems«, ob als »islamische Terroristen«, als »Hassprediger« oder »Salafisten« durch Behörden auf Regierungsebene, Verfassungsschutz, Polizei oder Justiz beschäftigt. Verschiedene Rechtsgebiete sind seit 9/11 zur Bekämpfung der »Gefahren für die innere Sicherheit und die verfassungsmäßige Ordnung« und zur »Abwehr des islamischen Terrorismus« als Sonderrechtssysteme ausgebaut worden. So vor allem das Ausländer- und Asylrecht und Teile des Straf- und Vereinsrechts, in denen bestimmte Ausländer, die in dem rassistischen Feindbild eingefangen werden, ausgegrenzt, diskriminiert und in weitgehender Rechtlosigkeit gehalten werden.

So spitzt Schultz als Resümee seiner zahlreichen empirischen Befunde seine These zu: »Demokratie und Menschenrechte werden unter dem Vorwand der ›Terrorismusbekämpfung‹ in wichtigen Bereichen mit Hilfe rassistischer Ausgrenzungen für wichtige Teile der Bevölkerung schon jetzt weitgehend außer Kraft gesetzt, mit der Tendenz, den bereits existierenden autoritären Sicherheitsstaat in den Modus eines umfassenden Polizeinotstandes und damit in eine Art Staat des permanenten Ausnahmezustandes zu verwandeln.« Dabei werden die Akteure des Sicherheitsstaates jegliche rassistische Einstellung in ihrem Handeln bestreiten und auch ihre tief verwurzelte Überzeugung von der Vorbildlichkeit und Überlegenheit ihres »westlichen Wertesystems« in keinem Zusammenhang mit dem institutionellen Rassismus sehen.

Wer sich jedoch z. B. die sogenannten Verdachtskalender anschaut, mit denen die Polizei andere Behörden, Institutionen und Firmen beliefert, in denen Faktoren und Kriterien aufgeführt werden, mittels derer Kunden, Klienten oder Besucher auf Verdachtsmomente zur Erkennung islamistischer Täter beobachtet werden sollen, wird die rassistische Grundeinstellung unschwer erkennen können. Das ist nur eines der zahlreichen Beispiele behördlicher Kontrolle, Überwachung und Bespitzelung, polizeilicher und justitieller Verfolgung, Ausgrenzung und Verurteilung, die Schultz gesammelt und anschaulich auf den Begriff gebracht hat, der den Rassismus als »grundlegenden Mechanismus jeglicher politischer Macht« (Foucault) definiert.

Die gut 200 Seiten öffnen auch den Leserinnen und Lesern, die sich gut informiert wähnen, die Augen über die Ausmaße der präventiven und reaktiven Sicherheitsnetze, die über uns geworfen werden, in doppelter Weise. Sie machen die Gefährdung der so vielfältig beschworenen Freiheitsrechte und den tiefen Eingriff in die demokratische Struktur unserer Gesellschaft deutlich. Und sie weisen auf die Ausdehnung einer rassistischen Grundeinstellung bei der Instrumentalisierung dieses islamischen Feindbildes hin, das jederzeit zur weiteren Ausgrenzung fremder Menschen, ob Flüchtling oder Zuwanderer, abgerufen werden kann. Beides sind keine ermutigenden Befunde dieses Buches, dessen Verdienst es aber gerade ist, diese Gefahr mit überzeugendem Material aufzuzeigen.

https://www.jungewelt.de/artikel/332410.rassistischer-sicherheitsstaat.html
14.05.2018 / Politisches Buch / Seite 15

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