Einleitung
Es ist mir eine Ehre und besondere Freude, in diesem Jahr bereits zum 4 Mal für unsere Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation an einer Konferenz des internationalen Solidaritätsprojekts Jose Martí teilnehmen zu können – auch diesmal wieder mit meiner Frau Azize Tank, ehemalige Bundestagsabgeordnete (Partei die Linke und Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales)
In meinem heutigen Beitrag auf der V. Internationalen Konferenz für das Gleichgewicht der Welt will ich insbesondere zwei Themen behandeln, die auf diesem Weltforum debattiert werden sollen:
– Die Verwirklichung der grundlegenden Menschenrechte unter den aktuellen Bedingungen
des 21. Jahrhunderts,
– Die Rolle und die Herausforderungen der neuen sozialen Bewegungen vor dem
Hintergrund der zunehmenden sozialen Spaltung in Deutschland und global, insbesondere
in Hinblick auf das Menschenrecht auf angemessene Wohnung, lebenslange kostenlose
Bildung und optimale Gesundheitsversorgung für Alle
Kurz zu meiner Person
H. – Eberhard Schultz, Rechtsanwalt seit 1978; als „Menschenrechtsanwalt“ in Berlin tätig; Arbeit in progressiven Anwaltsvereinigungen; u.a. Mitglied im internationalen Verteidigerteam der „Cuban Five“; Teilnahme an der „Conferencia Internacional Con Todos y Para el Bien De Todos“ 2016, 2019 und 2023 in Havanna; Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte; Vorsitzender und Gründer der gemeinnützigen „Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation“ mit meiner Frau Azize Tank, MdB a.D.; Autor in verschiedenen Medien, zuletzt erschienen Bücher „Feindbild Islam und institutioneller Rassismus – Menschenrechtsarbeit in Zeiten von Migration und Anti-Terrorismus“ (Hamburg 2019) und 2023 „Das Problem ist Institutioneller Rassismus – Vielfalt statt Ausgrenzung (Hamburg 2023).
In Havanna ist noch zu erwähnen mein Sohn, Dr. Rainer Schultz: Er ist Center Director des Consortium for Advanced Studies Abroad/Cuba Divisional Center (CASA-Cuba) in Havanna in Kooperation mit dem Casa de las Américas.
Aus Alters- und Krankheitsgründen habe ich meine Anwaltstätigkeit weitgehend eingeschränkt und auf die Mitglieder unserer Rechtsanwalts-Bürogemeinschaft im Berliner Haus der Demokratie übertragen – ausgenommen ein großes Verfahren für eine palästinensische Studentin, auf das ich später eingehen werde.
1. Vorstellung unserer Stiftung für soziale Menschenrechte und der Internationalen Liga für Menschenrechte
Unsere junge, 2011 gegründete gemeinnützige Stiftung ist die einzige im deutschsprachigen Raum, die sich zum Ziel gesetzt hat, bei der Verwirklichung der sozialen Menschenrechte auf der Grundlage des UN-Sozialpakts von 1966 mitzuwirken. Deren umfassende Anerkennung und Umsetzung als subjektive Rechte, die notfalls vor den Gerichten und dem UN-Ausschuss einklagbar sind, ist nicht nur ein zwingendes Gebot des Völkerrechts. Gerade in Zeiten zunehmender sozialer Spaltung in einem der reichsten Länder der Welt, in dem Ausgrenzungen ganzer Bevölkerungsteile und rassistische Diskriminierungen auch durch Institutionen zunehmen und der Zunahme von Arbeits- und Wohnungslosigkeit, ist die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte für alle von brennender Aktualität.
Schwerpunkte unserer bisherigen Arbeit sind die Öffentlichkeitsarbeit, auch in Kooperation mit anderen Menschenrechtsorganisationen, und Initiativen aus den sozialen Bewegungen, die Förderung von sozialen Projekten, Fachtagungen und -gesprächen mit Expert*innen aus
Wissenschaft, Politik und NGOs.
Über die Internationale Liga für Menschenrechte Die erstmals 1914 gegründete Organisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in West Berlin neu gegründet. Sie stellt sich die Aufgabe, die Menschenrechte – wie sie insbesondere in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, in den Internationalen Pakten vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte einerseits und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte andererseits, in der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 und anderen internationalen Konventionen niedergelegt sind – zu wahren, zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Die LIGA und ihre Mitglieder stehen auf dem Boden der demokratischen Grundordnung (im Sinne des Grundgesetzes) und bekämpfen jede Bestrebung zur Errichtung eines totalitären Regierungssystems.
Mit Grundgesetz wird in Deutschland die Verfassung bezeichnet. Darin sind eine Reihe von
Menschenrechten geregelt und deren Schutz auch mithilfe von Gerichten. So etwa der Schutz von Leben und Gesundheit, die Meinungsfreiheit und andere, also die so genannten
individuellen Menschenrechte. Die so genannten sozialen Menschenrechte aber fehlen –wie
etwa soziale Sicherheit für Alle, das auf optimale Gesundheitsversorgung für alle, das
Menschenrecht auf lebenslange kostenlose Bildung oder das Menschenrecht auf eine
angemessene Wohnung zu Erschwinglichen Preisen für Alle.
Mit Grundgesetz wird in Deutschland die Verfassung bezeichnet. Darin sind eine Reihe von
Menschenrechten geregelt und deren Schutz auch mithilfe von Gerichten. So etwa der Schutz von Leben und Gesundheit, die Meinungsfreiheit und andere, also die so genannten individuellen Menschenrechte. Die so genannten sozialen Menschenrechte aber fehlen – wie etwa soziale Sicherheit für Alle, das Recht auf optimale Gesundheitsversorgung für alle, das Menschenrecht auf lebenslange kostenlose Bildung oder das Menschenrecht auf eine angemessene Wohnung zu erschwinglichen Preisen für Alle. Dabei hatte schon im letzten Jahrzehnt die Partei DIE LINKE die Aufnahme der sozialen Menschenrechte in einem ausführlich begründeten Gesetzentwurf gefordert – allerdings vergeblich, und das ist kein Wunder, wie wir an den immer noch aktuellen Defiziten sehen…
2. Bestandsaufnahme wichtiger Faktoren für das „Gleichgewicht“
Beginnen möchte ich mit Schlaglichtern wichtiger sozioökonomischer Faktoren auf globaler und nationaler Ebene. Dazu ein Vorgang aus dem Jahre 2022, der bereits ein Schlaglicht wirft auf die weitere Entwicklung:
Ende 2022 erschien ein regierungsoffizielles Dokument von nahezu 300 Seiten mit dem Titel »15. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik. Berichtszeitraum 1. Oktober 2020 bis 30. September 2022«. Es enthält auch ein 18-seitiges Kapitel zum Thema
»Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass Deutschland die UN-Konvention zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (ICERD) ratifiziert hat und anwendet. Allerdings wird mit keinem Wort erwähnt, dass Deutschland von dem eigens auf der Grundlage dieser Konvention eingerichteten UN-Defizite bei den Menschenrechten – insbesondere den sozialen Menschenrechten – in reichen Ländern im Falle Sarrazin »verurteilt« wurde und weitere Verfahren gegen Deutschland anhängig sind.
Dieser Staatenbericht zur »Menschenrechtspolitik« wurde vom Auswärtigen Amt herausgegeben, außerdem von der Außenministerin Baerbock persönlich eingeleitet. Den krönenden Abschluss aber bilden die letzten 40 Seiten zum Thema »Menschenrechte weltweit«, das sind Berichte über knapp drei Dutzend Staaten. Darunter eine Auflistung mit mehr oder weniger gravierenden Menschenrechtsverletzungen: von Afghanistan über »China inklusive Hongkong« (mehrere Seiten), Russland, die Ukraine und Venezuela, bis zur Zentralafrikanischen Republik. Aber Brasilien beispielsweise wird nicht erwähnt: Dessen Rechtsanwaltskammer (eine der größten der Welt) hatte Bolsonaro, seinen Staatspräsidenten, zu dessen Amtszeit offen als »Faschisten« bezeichnet.
Ebenso wenig erwähnt der deutsche Staatenbericht die USA und Israel, geschweige denn deren Kriegsverbrechen oder die Charakterisierung Israels als völkerrechtswidrigen Apartheidsstaat. Das fand – nach zwei Jahren intensiver Untersuchung – sogar Amnesty International heraus und veröffentlichte es – auch wenn die deutsche Sektion sich zunächst geweigert hatte! „Deutschland, Weltmeister der Doppelmoral!“ hatte Evelyn Hecht-Galinski gesagt, die Tochter des jahrzehntelangen Leiters des jüdischen Zentralrats in Deutschland, dessen Familie von den Nationalsozialisten unter der Diktatur Hitlers verfolgt, in mehrere KZ‘s gebracht und schließlich ermordet wurde. Richtig:„Deutschland, Weltmeister der Doppelmoral!“
Seit der letzten Konferenz gab es positive und negative Entwicklungen. Beginnen wir mit den negativen. In einer Mitteilung unserer Stiftung vom 2. April 2024 heißt es:
„In einer Presseerklärung der Menschenrecht-Kommissarin des Europarats, Dunja, Mijatovic, vom 19.3.2024 äußert sich diese sehr kritisch zur Situation der sozialen Menschenrechte in Deutschland, dem reichsten Land Europas. (https://www.coe.int/de/web/portal/-/germany-follow-through-with-human-rights-commitments-and-improve-access-to-
social-rights)
Sie fordert „Empfehlungen zu den verfügbaren Strukturen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Schutz von Menschenrechten und zum Zugang zu sozialen Rechten, insbesondere dem Schutz vor Armut …“
Ist diese dringende Aufforderung auch heute noch aktuell ? Ich fürchte: ja! Und möchte dies mit einer unverdächtigen aktuellen Quelle untermauern: In der bekannten Wochenzeitung Der Spiegel vom 17.12.2024 heißt: es: „Jeder vierte Deutsche kommt mit Haushaltseinkommen nicht mehr zurecht.“
Zugrunde liegt der „Verteilungsreport 2024“ des Arbeitgeber nahen Instituts der Deutschen
Wirtschaft Die Menschen gaben an, dass ihr Einkommen relativ schlecht, schlecht oder sehr
schlecht ausreiche.
Wenn das von einem Institut der Wirtschaft – um nicht zu sagen der Wirtschaftsbosse – offiziell mitgeteilt wird, stellen sich viele kritische Nachfragen, zum Beispiel: Wie konnte es dazu im reichsten Land Westeuropas kommen? Oder: Wie kann sich Deutschland angesichts dieser katastrophalen Einkommensentwicklung leisten, 100 Milliarden und mehr Euro für die Aufrüstung und den Krieg in der Ukraine auszugeben? Schwierige Fragen, auf die es keine einfachen Antworten geben dürfte. Aber bleiben wir bei der Fragestellung im Rahmen des vorgegebenen Themas. Also beginne ich mit der Entwicklung seit meinem Beitrag zur letzten Marti-Konferenz 2023.
2.1. Zunehmende soziale Spaltung und wachsende Armut auch in Deutschland
Die Verteilung des Reichtums auf unserer Erde hat sich weiter dramatisch entwickelt:
In meinem Vorschlag für eine Erklärung zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2024 habe ich Bezug genommen auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, in der es unter anderem heißt:
„Die Welt steht vor nie dagewesenen und ineinander greifenden
Herausforderungen für die Menschenrechte… In diesen schwierigen
Zeiten müssen wir uns mit neuer Entschlossenheit für alle Menschenrechte – die bürgerlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechte – einsetzen… Bekräftigen wir am heutigen Tag der Menschenrechte erneut die Allgemeingültigkeit und
Unteilbarkeit aller Rechte und verteidigen wir die Menschenrechte für alle.“
2.2. Der Internationale Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2024 – für Deutschland kein Grund zum Feiern
Als Internationale Liga für Menschenrechte und als Stiftung für soziale Menschenrechte halten wir den 10. Dezember nicht nur für ein bedeutendes historisches Ereignis, sondern sehen uns auch in der Verantwortung für die weitere Entwicklung der UN Charta von 10. Dezember 1948, mit der ja die Schrecken und Folgen des Zweiten Weltkriegs für immer überwunden werden sollten. Ganz im Sinne der erwähnten Aufforderung des UN Generalsekretärs:
S. 4 / 10
„Human rights are under assault […] This year’s theme reminds us that human rights are about building the future — right now […] We must stand up for all rights — always.“
(UN Secretary-General António Guterres’s message, 2024)
In diesem Sinne wollen wir aufstehen für alle Menschenrechte, die individuellen und die
sozialen Menschenrechte, die wir in Folge der gegenwärtigen Krisen und Kriege sehr bedroht sehen. Besonders bedroht sind das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die
Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Asyl.
Bereits im November 2023 hat der UN-Ausschuss zur Beseitigung
rassistischer Diskriminierung (ICERD) zum aktuellen Staatenbericht der Bundesregierung in Genf seine Besorgnis „dass friedliche Demonstrationen […] verboten werden” geäußert und festgestellt, dass eine „abschreckende Wirkung […] in Bezug auf die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf die derzeitige Situation in Palästina” herrscht. Hierauf werde ich noch zurückkommen.
Und beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag fand das Verfahren gegen Deutschland wegen der Unterstützung der Kriegsverbrechen von Israel statt, eine erste ausführlich begründete Stellungnahme hat Israel wegen Kriegsverbrechen verurteilt – und Nicaragua hat Deutschland ebenfalls auf die »Anklagebank« gesetzt.
3. Zum Staatenbericht der Bundesregierung, insbesondere zum sozialen Menschenrecht auf Wohnen und Anmerkungen zum sozialen Menschenrecht auf optimale Gesundheitsversorgung und kulturelle Teilhabe
3.1 Zum sozialen Menschenrecht auf angemessene Wohnung zu erschwinglichen Preisen
Auch hier möchte ich mit einer hochaktuellen Meldung beginnen, die uns kurz vor der
Weihnachtszeit erreichte. Ich zitiere aus der Sendung „Tagesthemen“ der öffentlich-rechtlichen Medien vom 13.12.2024: Steigende Mieten – Mehr Menschen wegen hoher Wohnkosten in Armut (Stand: 13.12.2024 09:30 Uhr)
Hohe Mieten und Nebenkosten treiben mehr Menschen in Deutschland in die
Armut als gedacht, lautet das Ergebnis einer Studie. Demnach werden Wohnkosten für den tatsächlichen Lebensstandard immer bedeutsamer. Viele Haushalte geben demnach mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten aus, manche sogar mehr als die Hälfte.
Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und anderem hätten mehr als 17,5 Millionen oder 21,1 Prozent der Bevölkerung ein verfügbares Einkommen im Armutsbereich, so die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands unter Verweis auf eine Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamts.
S. 5 / 10
Initiativen haben seit Jahren versucht, Abhilfe zu schaffen, denn schon lange gibt es das
Tauziehen über die Fragen der richtigen politischen Behandlung von Obdachlosigkeit und
Wohnungslosigkeit in Berlin, also in der größten und reichsten Stadt Deutschlands, die wegen ihrer exemplarischen Bedeutung in diesem Zusammenhang erwähnt werden muss.
Weit mehr als die Hälfte der Befragten Berlinerinnen (65%!) entschieden sich für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen, unter dem Motto „ Deutsche Wohnen und Co enteignen!“ (das Unternehmen „Deutsche Wohnen“ ist eines der größten und einflussreichsten auf dem Gebiet in Berlin). Auch wir von der Stiftung haben diese Initiative unterstützt. Wohnungsunternehmen und politische Parteien versuchten, die Umsetzung des Volksentscheids zu verhindern. Es musste eine Expertenkommission gebildet werden, die 2 Jahre lang tagte und schließlich – auch unter Mitwirkung unseres Experten und Kuratoriumsmitglieds unserer Stiftung Dr. Andrej Holm – zu dem Ergebnis kam, das eigentlich selbstverständlich hätte sein müssen: Eine Enteignung gegen entsprechende Entschädigung ist zulässig. Wir warten leider immer noch auf die Umsetzung dieses klaren Ergebnisses. Bisher ist kein einziges der großen
Wohnungsunternehmen enteignet worden. (aus der Stellungnahme von Dr. Andrej
Holm zum Ergebnis der Expertenkommission zur Vergesellschaftung großer
Wohnkonzerne, 23. Juli 2023)
Wie bereits auf unseren Beiträgen auf den letzten Konferenzen 2019 und 2023 ausgeführt, heißt es zu den Defiziten des sozialen Menschenrechts auf Wohnen in unserem Parallelbericht zum Staatenbericht der Bundesregierung an den UN-Sozialausschuss:
„Wohnungslosigkeit ist ein bundesweites und insbesondere in den
Großstädten ein schwerwiegendes Problem, welches neuerdings auch
eine steigende Zahl von Geflüchteten, Wanderarbeiter*innen aus
osteuropäischen Ländern sowie andere Menschen ohne gesicherten
Status betrifft. Momentan betont die Bundesregierung, es sei die
alleinige Zuständigkeit der Kommunen, Probleme der Wohnungslosigkeit
zu lösen.“6
Es werden nicht nur zu wenig neue Sozialwohnungen gebaut, sondern öffentliche
Wohnungsbaugesellschaften werden privatisiert, und staatliche Förderungen sind an zeitlich
befristete Bindungen geknüpft, welche irgendwann auslaufen. Dieses Vorgehen befördert den drastischen Rückgang der Zahl an Sozialwohnungen durch Umwandlung in teure Eigentums- oder Mietwohnungen. So wird es immer dringender, jedem Menschen ein einklagbares Recht auf angemessenen Wohnraum zu verschaffen.
Umso erfreulicher war es für uns, wie für die anderen engagierten NGOs, dass der UN-
Sozialausschuss in seinen abschließenden Bemerkungen die Kritik aufgenommen hat. Die
Bundesregierung wird aufgefordert, einen dringlichen Zwischenbericht zu den drei Themen
Situation älterer Menschen in der Pflege, Kinderarmut und Recht auf Wohnen innerhalb von 24 Monaten vorzulegen.
Inzwischen liegt diese geforderte Stellungnahme an den UN-Sozialausschuss tatsächlich vor – allerdings nur in englischer Sprache und für den / die deutschen Durchschnittsbürger:in kaum auffindbar. Darin wird zwar in allgemeiner Form ausgeführt, man werde die Auflagen umsetzen und sei bereits dabei. Zum „Housing Problem“ gibt es ausführlichere Darlegungen, die eine Besserung versprechen. Tatsächlich sind diese jedoch nach Expertenmeinung nicht realisiert worden.
S. 6 / 10
Bezeichnend ist auch, dass eine der zentralen Forderungen für die Umsetzung des Sozialen
Menschenrechts auf Wohnung und die Kontrollierbarkeit der Maßnahmen nach einer belastbaren, detaillierten Statistik nicht einmal erwähnt wird. Deshalb haben wir Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Versprechens der Bundesregierung.
3.2 Auswirkungen der zunehmenden sozialen Spaltung auch auf wachsende Kinderarmut und kulturelle Teilhabe
Auch in der Bekämpfung der Kinderarmut, einer elementaren Forderung der VN-
Kinderrechtskonvention, gibt es spürbare Defizite. Nicht nur die materielle Sicherung ist
mangelhaft, auch die persönliche Entwicklung aller Kinder, unabhängig vom sozialen Status der Familien bzw der Erziehungsberechtigten, wird staalicherseits nicht ausreichend gefördert. Ein ganz großes Defizit besteht auch in der Verwirklichung des Rechts auf Bildung, was bereits äußerlich an dem schlechten Zustand von Schulgebäuden und deren Ausstattung sichtbar ist.
Weiterhin fehlen Lehrkräfte, so dass Unterricht ausfällt. Reiche Eltern schicken ihre Kinder in konfessionelle oder andere nicht-staatliche Schulen. Die Schließung von öffentlichen Sportstätten schränkt die sportliche Betätigung von Kindern und Erwachsenen ein. Auch kostenlose kulturelle Angebote für alle fallen zunehmend weg – während die Kosten für die Rüstung steigen.
3.3 Anmerkungen zum sozialen Menschenrecht auf optimale Gesundheitsversorgung für Alle
Zur besonderen Bedeutung dieses grundlegenden Menschenrechts brauche ich wohl im Lande unsere Gastgeber und der vielen Beteiligten aus Lateinamerika keine großen Ausführungen zu machen. Und auch die großen historischen Verdienste, die sich das sozialistische Kuba erworben hat, als es sich in Südafrika und Lateinamerika dafür vorbildlich eingesetzt hat, sind sicher allen Beteiligten bekannt. Weniger bekannt sein aber dürften die schwerwiegenden Defizite sein, die gerade in reichen Ländern wie Deutschland auf diesem Gebiet existieren. Es ist hier nicht der Raum, eine umfassende Würdigung vorzunehmen. Aber lassen Sie mich kurz ein aktuelles Schlaglicht dazu anführen. Kurz vor meiner Abreise erreichte mich der 24 seitige Gesundheitsreport der renommierten auch international tätigen Organisation Ärzte der Welt, mit der wir seit vielen Jahren eng kooperieren. In dem Anschreiben heißt es unter anderem:
„Kaum zu glauben, doch wahr: in Deutschland leben Menschen ohne Krankenversicherung, also ohne Anspruch auf eine ärztliche Behandlung – auch wenn diese dringend geboten ist; wie viele Menschen davon betroffen sind kann mangels systematische Erhebungen nur erahnt werden… Einen Schwerpunkt legen wir dieses Mal auf die Obdachlosigkeit. Viele unserer Patientinnen leben auf der Straße und sind somit besonderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Wir zeigen, warum diese Menschen oft keinen Zugang zu gesundheitlicher
Versorgung haben und was zu deren medizinischer Behandlung nötig ist.“
Und in der Broschüre selbst heißt es unter der Überschrift „Fazit und Ausblick“:
S. 7 / 10
„Es gibt in Deutschland nach wie vor eine signifikante Anzahl von Personen, die zeitweise oder dauerhaft keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.“ Was sollen wir dazu sagen? Kommentar überflüssig: Zu den sozialen Bewegungen, den Aktivitäten von Widerstand und Protest in Deutschland beziehe ich mich zunächst auf meinen Beitrag auf der letzten Konferenz. Leider ist die Entwicklung durch die Folgen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie und im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine noch einmal undurchsichtiger und schwieriger geworden, so dass Wohnraum für den ärmeren Teil der Bevölkerung in Ballungsgebieten Berlin überhaupt nicht mehr zu finanzieren ist.
……………………………………..
ZUM ABSCHLUSS
Ich hatte ja eingangs angekündigt, noch kurz auf die Verfahren einzugehen, die ich für eine
palästinensische Studentin gegen große Leitmedien in Deutschland geführt habe und noch
weiterführe, weil die Gerichte bisher geurteilt haben: Auch wenn es verleumderische und
vollkommen unzutreffende Behauptungen sind, eine terroristische Organisationen zu unterstützen, unterliege das der sogenannten Meinungsäußerungsfreiheit. So dürfen die Grundrechte der Betroffenen wie etwa die Würde des Menschen, seine Persönlichkeitsrechte, die Gesundheit usw. von den Medien angegriffen werden, weil deren Freiheit höher wiegt. Dazu haben wir einen Aufruf verfasst und um Unterstützung gebeten für die weiteren Schritte bis hin zu den Menschenrechtsbeschwerden, insbesondere auch an den UN-Ausschuss für Hilfen zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung. Da die Zeit jetzt nicht mehr reicht, erlaube ich mir an dieser Stelle, den Aufruf, den ich hier hochhalte, an die Beteiligten im Saal zu verteilen und bitte die Veranstalter, ihn auch weiterzuleiten. Vielen Dank.
Das gilt auch für die Erklärung der Internationalen Liga für Menschenrechte, mit der wir das
völkerrechtswidrige US Embargo gegen das sozialistische Kuba verurteilen. Und die schwere Verletzung der darin zum Ausdruck kommenden Menschenrechte klagen wir öffentlich an.
Es soll hier nicht versucht werden den Stand der Umsetzung der sozialen Menschenrechte in
unserem Gastgeberland Kuba zu würdigen. Die mir zur Verfügung stehende Zeit ist zu knapp, vor allem aber reichen meine Einblicke und Unterlagen dafür nicht aus. Trotzdem muss ich einen Hinweis geben: den Hinweis auf einen wesentlichen Faktor bei der Beurteilung der Situation in Kuba: die Auswirkungen des völkerrechtswidrigen US Embargos. Dazu haben wir nämlich von der Internationalen Liga für Menschenrechte aus Anlass des letzten Beschlusses der UN- Generalversammlung am 1. November 2023 eine Pressemitteilung verbreitet. Darin heißt es unter der Überschrift:
Den Beschluss der UN-Generalversammlung zur Verurteilung der US
Blockade gegen Kuba wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen umsetzen
S. 8 / 10
Die gestrige Verurteilung der US-Blockade gegen Kuba durch die UN.
Generalversammlung – nur Israel war wie immer dagegen – veranlasst
uns zu folgender Stellungnahme.
Die verheerenden Auswirkungen der Blockade für alle Kubanerinnen und Kubaner ist in den mehr als 100 Seiten umfassenden Texten umfangreich dokumentiert und unbestreitbar.
Zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Internationale Liga für Menschenrechte gehört der Einsatz für die Einhaltung der Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen sowie der schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Art. 22-27)
niedergelegten sozialen und kulturelle Rechte, die 1966 durch den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte konkretisiert und international verbindlich geregelt worden sind. …
Wir nehmen die Aktivitäten der Friedensbewegung und der Kuba-
Solidarität … zum Anlass ( der Aufforderung) an die Bundesregierung,
ihren Bericht zum Internationalen Tag der Menschenrechte im
kommenden Monat diesen Jahres mit einer detaillierten Verurteilung der
USA und Israels zu verbinden.
Besonders offensichtlich sind gegenwärtig die Auswirkungen der
völkerrechtswidrigen Blockade auf dem Gebiet der
Gesundheitsversorgung, was Amnesty International bereits vor Jahren
kritisiert hatte. Aufgrund des Embargos sind wichtige Medikamente und
medizinisches Gerät kaum noch verfügbar. Das ist eine schwere durch
nichts zu rechtfertigende Verletzung des sozialen Menschenrechts auf
optimale Gesundheitsversorgung für alle im Sinne der WHO.
Dazu Eberhard Schultz, langjähriges Vorstandsmitglied und Menschen-Rechtsanwalt:
„Wir werden alles in unserer Kraft Stehende tun, Vereinigungen,
Initiativen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denen die
Menschenrechte am Herzen liegen, dafür zu gewinnen, Druck auf die
Bundesregierung auszuüben, damit zum Internationalen Tag der
Menschenrechte im kommenden Monat diesmal die deutsche
Außenministerin die USA und Israel schärfstens kritisiert und
Gegenmaßnahmen ankündigt.“.
(https://ilmr.de/2024/den-beschluss-der-un-generalversammlung-zur-verurteilung-der-
us-blockade-gegen-kuba-umsetzen/)
Wie zu befürchten war, verhallte dieser eindringlicher Appell ungehört in den Chefetagen der Institutionen so wie der Mainstream-Medien. Ja mehr noch: Die Vorgänge um den internationalen Tag der Menschenrechte am 14. November in der Bundesrepublik Deutschland sind ein weiterer erschreckender Schritt auf dem Weg in einen Ausnahmezustand, wie ihn Professor Giorgio Agamben, der Theoretiker des Ausnahmezustands, prognostiziert hatte, und zwar als Folge der undemokratischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona- Pandemie.
Noch am Vortag des Tages der Menschenrechte hatte UN-Generalsekretär Guterres eindringlich an die Weltgemeinschaft appelliert:
S. 9 / 10
„Human rights are under assault […] This year’s theme reminds us that
human rights are about building the future — right now […] We must stand
up for all rights — always.“ (UN Secretary-General António Guterres’s message, 2024)
Vergleichbare Aufrufe oder Stellungnahmen von maßgeblichen politischen Institutionen sucht man in Deutschland vergeblich. Stattdessen findet sich auf der Homepage des Bundestages lediglich ein Hinweis von Anfang 2024 : “abgesetzt … Menschenrechtsbericht der Bundesregierung“.
Zwar hat sich der sogenannte „Berliner Sozialgipfel“ am 9. Dezember 2024 insbesondere mit der prekären Situation von Wohnungslosen und Obdachlosen beschäftigt. Im Bericht des Vertreters unserer Stiftung über die Veranstaltung heißt es, der zuständige Berliner Senator sei leise ausgepfiffen und dann in der anschließenden Diskussion „in die Ecke getrieben“ worden. „Ändern wird sich nichts, auch das Medien-Echo war gering… aber immerhin hat sich mal wieder die haute volé der Berliner Mietaktivisten dort getroffen und auch die Klappe aufgerissen…“
Wir resümieren also: Es bleibt viel zu tun! Wir appellieren vor allem an die Betroffenen und ihre Vertreterinnen: Packen wir es an! dann können wir auch mit der wichtigen internationalen Unterstützung und Solidarität rechnen, die für unsere Arbeit unverzichtbar ist.
Ich danke den Verantwortlichen dieser wichtigen internationalen Konferenz, der UNESCO für ihre Unterstützung und den zahlreichen Engagierten, die uns auch bei der Ausarbeitung des Beitrages, der Übersetzung und Präsentation helfen
Herzlich und solidarisch
Havanna, den 24. Januar 2025
Eberhard Schultz, Menschenrechtsanwalt, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für
Menschenrechte und Vorsitzender der Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte und
Partizipation
S. 10 / 10