Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Mobbing-Verfahren gegen die Allianz wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt – Entscheidungen in den nächsten Tagen erwartet; Kündigungsschutzklagen laufen weiter

Am Mittwoch, den 10.6.2020, fand vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Berufungsverhandlung in einem Mobbing-Verfahren gegen die Allianz statt. Als Vertreter des Gemobbten hatte ich die Verlegung des Termins beantragt. Mein Mandant – ein langjähriger Außendienstangestellter – ist in ärztlicher Behandlung und sollte sich derzeit nicht intensiv mit den in der Vergangenheit liegenden Mobbing-Vorgängen auseinandersetzen. Ein entsprechendes fachärztliches Zeugnis hatte ich dem Gericht vorgelegt. Nach seiner Genesung wäre er wieder in der Lage, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und sich darauf angemessen vorzubereiten.
Dennoch wurde der Vertagungsantrag abgelehnt. In den Parallelverfahren wegen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung hatte die Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit gegen die Vertagung auf den Spätsommer keinerlei Bedenken. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Arbeitsgerichtsgesetz gerade für Kündigungsschutzverfahren eine beschleunigte Durchführung vorsieht.

Einen derart gravierenden Verstoß gegen das Grund- und Menschenrecht auf rechtliches Gehör habe ich in meiner jahrzehntelangen Praxis als Rechtsanwalt bisher nicht erlebt. Er ist deshalb besonders gravierend, weil sich Mobbing-Fragen ohne den Betroffenen nie vollständig aufklären lassen.
Ich habe deshalb die Vorsitzende Richterin wegen Befangenheit abgelehnt. Nun muss eine andere Kammer entscheiden, ob sie sich nicht für die Fortsetzung des Verfahrens disqualifiziert hat.

 

 

Zum Sachverhalt im Einzelnen siehe Seite 2

Unter dem 13.7.2018 hatte ich für meinen Mandanten, angestellter Leiter einer Verkaufsregion der Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG, Schadensersatz wegen Mobbings durch Vorgesetzte und Abmahnungen beim Arbeitsgericht eingereicht, mit den Anträgen,

 

  1. dem Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird – nicht jedoch unter 250.000 €;

 

  1. festzustellen, dass weitere künftige Schäden zu ersetzen und entschädigen sind;
  2. die Abmahnungen des Klägers mit acht Schreiben vom 5. und. 19.4.2018 zurück-zunehmen und mit sämtlichen dazu enthalten Vorgängen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Diese Klage hatte die Allianz zum Anlass für eine fristlose Kündigung genommen. Bereits inder Güteverhandlung zur Mobbing-Klage hatte ich darauf hingewiesen, dass deren Begründung zum überwiegenden Teil aus längst bekannten Vorwürfen bestand, die ich mit einem außergerichtlichen Anspruchsschreiben von 2016 geltend gemacht hatte, aufgrund dessen der Vorstand nicht etwa eine Kündigung, sondern eine „außergerichtliche deeskalierende Vorgehensweise“ angeregt hatte. Daraufhin hatten Gespräche mit dem Vorstand stattgefunden, in deren Rahmen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung von 125.000,00 € angeboten waren, die letztlich gescheitert sind. (vgl. meine Pressemitteilung vom 08.10.2018)

Die außerordentliche Kündigung ist also schon deshalb unwirksam, weil eine außerordentliche fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe zulässig ist. Außerdem verstößt eine Kündigung wegen der Erhebung einer Klage zur Klärung rechtlicher Ansprüche gegen den Arbeitgeber gegen das so genannte Maßregelverbot des § 612 a BGB.

Später hat der Mandant nicht nur die Serie von Abmahnungen als Reaktion auf die Schadensersatzansprüche erhalten, sondern kurz nach Einreichen der Mobbing-Klage die oben erwähnte fristlose Kündigung ohne jede Begründung oder vorherige Anhörung zu den pauschalen Vorwürfen eines angeblich vertragswidrigen Verhaltens. Wenig später erfolgte eine weitere, diesmal fristgemäße Kündigung, gegen die ich ebenfalls Klage einreicht habe.

Nach Scheitern der Güteverhandlung ist bisher noch kein Termin zur streitigen Verhandlung von der zuständigen 63. Kammer anberaumt worden.

Die 4. Kammer des Arbeitsgerichts hatte also zu entscheiden, ob dem Mandanten eine Entschädigung nach § 253 BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Mandanten durch die Vorgesetzten zusteht. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorge – und Schutzpflichten auf das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen, so dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und sowie sicherzustellen, er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigung und/ oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Er haftet gegenüber den betroffenen Arbeitnehmer für schuldhaft begangen Persönlichkeitsrechts – oder Gesundheitsverletzungen durch von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzten anderer Mitarbeiter, insbesondere Vorgesetzte.

Das Arbeitsgericht aber hat die Mobbing-Klage mit der Begründung abgelehnt, zwar liege Mobbing durch einen Vorgesetzten vor, dies reiche aber nicht aus, um ein systematisches Mobbing durch die Vorgesetzten anzunehmen (weil dieser dann ja abgelöst worden sei), wofür der Kläger darlegungs- und beweispflichtig sei; zumal es im Rahmen von Umstrukturierungen erfahrungsgemäß regelmäßig zu „Konflikten“. Gegen diese Ansicht haben wir zur Begründung der Berufung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreich vorgetragen und das jahrelange Mobbing mit Dutzenden von konkreten Fällen dokumentiert (in Schriftsätzen von über 200 bzw. 60 Seiten!), dazu als Beweis die eidliche Parteivernehmung des Klägers beantragt, sowie die Frist zur Begründung der Berufung weiter zu verlängern, weil dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen ärztlich untersagt wurde, sich weiter intensiv mit den Vorfällen zu beschäftigen. Auch dies war aber von der abgelehnten Vorsitzenden Richterin abgelehnt worden.

 

 

H.-Eberhard Schultz, Rechtsanwalt

Berlin, 11.06.2020

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