Pressemitteilung

Menschen – UN – Rechte in Zeiten der Corona-Krise

Aktuelle Entscheidungen und Verfahren beim UN – Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung, dem Bundesverfassungsgericht, Berliner Gerichten, der Staatsanwaltschaft Schweinfurt

Aus gegebenem Anlass verlasse ich das übliche Format und fasse in dieser Pressemitteilung mehrere Meldungen über eine Reihe aktueller Entscheidungen und Verfahren von allgemeinem Interesse zusammen – auch weil ungewöhnliche Zeiten ungewöhnliche Maßnahmen erfordern; haben wir doch in den letzten Monaten wiederholt die Erfahrung gemacht, dass durchaus an einem Thema interessierte Journalist*innen letztlich darauf verwiesen haben, außer über Corona gehe derzeit (fast) nichts mehr. Umso erfreulicher eine Meldung, mit der ich beginnen will:

• Der Spiegel und Report Mainz berichten in der aktuellen Ausgabe bzw. der Sendung am 8. September um 21:45 ausführlich über den bisher vergeblichen Versuch des Deutsch-Marokkaners Mohamed Hajib, von der Bundesrepublik Schadensersatz wegen Mitverantwortung für die von ihm erlittene schwere Folter in Marokko zu erhalten, wohin er von deutschen Sicherheitsbehörden überantwortet wurde (vgl. die Ankündigung https://www.presseportal.de/pm/75892/4698247). Werden die Verantwortlichen deutschen Stellen das zum Anlass nehmen, ihre bisherige Haltung zu überprüfen, jede Verantwortung mit unterschiedlichen abwegigen und zum Teil widersprüchlichen Argumenten abzulehnen? Wir erwarten auch demnächst die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs, damit endlich eine Beweisaufnahme zu den maßgebliche Streitfragen vor den Zivilgerichten stattfindet (vgl.die früheren Pressemitteilungen zu diesem Fall auf meiner Homepage www.menschenrechtsanwalt.de).

Dazu auch ein Beitrag von Marcel Kolvenbach in Report Mainz mit dem Titel „Potentieller Gefährder – Der Folter ausgeliefert?“

https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/folter-111.html

 

Weitere Neuigkeiten in kurzen Stichpunkten:

1. Der in der bisherigen Debatte über Rassismus auch in Deutschland – im Zusammenhang mit der Black-lives-matter-Bewegung viel zu wenig beachtete UN Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung (CERD) steht nach unserer im August übermittelten Stellungnahme vor einer möglicherweise folgenschweren Entscheidung in einem außergewöhnlichen Fall von institutionellen Rassismus in Deutschland. Es geht um den SEK Einsatz gegen eine Familie aus Syrien in Berlin aufgrund einer »bedauerlichen Verwechslung«. Mohamed Shikh wurde dabei wie berichtet körperlich misshandelt und verletzt, er leidet heute noch an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. Das gegen die verantwortlichen Polizeibeamten vom früheren Rechtsanwalt eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren war eingestellt worden, was die Bundesregierung in ihrer aktuellen Stellungnahme gegenüber dem UN-Ausschuss immer noch verteidigt, obwohl sie eingestehen muss, dass im zivilrechtlichen Verfahren ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vorliegt. Dieses stellt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung durch die verantwortlichen Polizeibeamten fest, die das Land Berlin dem Grunde nach verpflichtet, Schadensersatz zu leisten (gestritten wird noch über die Umfang dieses Schadensersatzanspruchs). Ende August haben wir unsere Stellungnahme für die Mandanten nach Genf geschickt und darin die abwegige und zum Teil in sich widersprüchliche Argumentation widerlegt. (vgl. zu dem Vorgang auch die Falldokumentation in meinem Buch „Feindbild Islam -und institutioneller Rassismus- – Menschenrechtsarbeit in Zeiten von Migration und Anti-Terrorismus, S. 82ff)
2. Nicht unbedingt erwartet hatte ich die mir kürzlich zugestellte positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die bei uns im August eingetroffen ist, wonach die Bild-Zeitung die Grundrechte des Deutschsprachiger Islam Kreis e. V. (DIK) Hannover verletzt hat mit der Behauptung, dass es sich um angebliche salafistische Terrorunterstützer handle – eine fällige Korrektur der Rechtsprechung des Landgerichts Hannover und des Oberlandesgerichtes Celle. Die hatten die üblichen Konstrukte des Verfassungsschutzes weitgehend unkritisch übernommen und so dessen von der Springer-Presse ihrem Millionenpublikum verbreiteten institutionellen Rassismus abgesegnet – wie leider immer wieder zu beobachten. Aber es lohnt sich zu kämpfen wie diese Entscheidung zeigt, auch wenn seit dem Einreichen der Verfassungsbeschwerde vier Jahre ins Land gegangen sind…
3. Nicht ganz so lange dauert hoffentlich das laufende Eilverfahren vor dem Berliner Kammergericht wegen diffamierender Berichterstattung der Springer-Presse über eine angebliche »Judenhasser – Konferenz« im Dezember 2019 (vgl. die früheren Mitteilungen). Es geht nach unserer Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung der Medienkammer des Berliner Landgerichts nun doch in die nächste Runde vor dem Kammergericht. Das Kammergericht hat der Gegenseite im August einen Hinweis erteilt, wonach es unseren Eilantrag nicht wie das Landgericht Berlin für unzulässig (wegen angeblicher Verspätung) hält und zumindest in einem wichtigen inhaltlichen Punkt die Gegenseite zur Stellungnahme auffordert: wir hätten für die antragstellenden palästinensischen Organisationen glaubhaft gemacht – so das Kammergericht – dass entgegen der Darstellung in der Springer-Presse keine Nahost- Landkarte ohne den Staat Israel als offizielles Logo der Konferenz für das Rückkehrrecht der Palästinenser verwandt wurde. Wir dürfen also nicht nur auf die Stellungnahme der Gegenseite gespannt sein, der eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme gesetzt wurde…
4. Erfreulich auch die bereits vor einem Monat gemeldete überraschende Wiederaufnahme der Ermittlungen im Fall eines Asylbewerbers aus Somalia, der sich im Polizeigewahrsam in Schweinfurt unter mysteriösen Umständen durch »atypisches Erhängen« umgebracht haben soll und dessen Familie und Unterstützer*innen ich vertrete, – laut Staatsanwaltschaft Schweinfurt wohl nur aufgrund des öffentlichen Drucks – ein neuer Fall Oury Jalloh?
5. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung in dem Mobbingverfahren gegen die Allianz unserem Antrag stattgegeben, die bisher zuständige vorsitzende Richterin und die beiden beisitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. (Vergleiche meine früheren Pressemitteilungen). Die Berufungsverhandlung muss also vor einer mit anderen Richter*innen besetzten Kammer wiederholt werden. In der ausführlichen begründeten Entscheidung über die Ablehnung wird dargelegt: der Eindruck der Voreingenommenheit sei zu Recht geltend gemacht, weil die abgelehnte Richterin den fachärztlich attestierten Gesundheitszustand des Mandanten nicht berücksichtigt habe, der seinen Wunsch ausdrücklich erklärt hatte, nach einem Aufenthalt in der Reha-Klinik und seiner Genesung an einer dann erneut anzuberaumenden Verhandlung teilzunehmen und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör wahren zu wollen; der im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltende Beschleunigungsgrundsatz stehe dem nicht entgegen. Deshalb gehe ich davon aus, dass auch unseren Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung im Parallelverfahren wegen Kündigung des Angestellten durch die Allianz, der ursprünglich auf den 18. September anberaumt war, stattgegeben wird.
6. In einem weiteren Eilverfahren habe ich Beschwerde gegen die Entscheidung der Medienkammer des Landgerichts Berlin eingelegt, mit der der Eilantrag einer Lehrerin aus Brandenburg abgewiesen wurde, dem Sender RTL untersagen zu lassen, die diffamierende und falsche Berichterstattung über Ihre Teilnahme an der sogenannten Hygiene-Demonstration weiter zu verbreiten. Auf der Demonstration war sie von Polizeibeamten festgenommen und verletzt worden, der RTL-Bericht stellte sie mit mehreren Falschbehauptungen an den Pranger, unter anderem sie sei eine Corona-Leugnerin und habe Schulkinder entsprechend politisch beeinflusst. Die Medienkammer hat den Antrag abgelehnt, weil es der Antragstellerin nicht gelungen war, einen Videomitschnitt des RTL Beitrages dem Gericht vorzulegen(der sich nicht mehr in der Mediathek befand); deshalb habe sich das Gericht kein ausreichendes Bild von den Berichterstattung im Zusammenhang mit den von uns beanstandeten Äußerungen machen können. Dies obwohl die Antragstellerin eine vollständige Mitschrift des Beitrages eingereicht und dessen Vollständigkeit und Richtigkeit an Eides statt versichert hatte und von mir angeregt worden war, den Mitschnitt notfalls beim RTL anzufordern. Wir dürfen gespannt sein, wie das Kammergericht unserer Beschwerdeschrift vom 17. August gegen diese gelinde gesagt sehr wenig einleuchtende Begründung einschätzt – ganz abgesehen davon, dass ich mich weiterhin bemühen werde, einen Mitschnitt aufzutreiben…
7. Zum Eilverfahren gegen den Berliner Senat wegen der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr zitiere ich vorläufig aus meinen Saison-Grüßen von Anfang Juli: •Verfassungsbeschwerde und Eilantrag für einen BVG-Dienststellenleiter im Ruhestand gegen die in Berlin im öffentlichen Nahverkehr verordneten Schutzmasken zurückgestellt, bis die Berliner Verwaltungsgerichte darüber entschieden haben“ – was sich wohl noch hinzieht.

Deshalb empfehle ich zu den Verletzungen von Grund – und Menschenrechten durch die Maßnahmen infolge der Corona-Pandemie auch mein Interview bei Telepolis von Anfang des Jahres   https://www.heise.de/tp/features/Coronakrise-Eine-bedrohliche-Entwicklung-fuer-die-Grundrechte-4713370.html

und meine Stellungnahme zu einigen der darauf folgenden Kommentare  https://www.heise.de/tp/features/Euthanasie-und-die-Coronasvirus-Pandemie-4715488.html

 
H. – EBERHARD SCHULTZ, den 5. September 2020

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