Nichtanerkennungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erfolgreich – DKP zur Bundestagswahl 2021 zugelassen

Heute um 11:03 Uhr erreichte mich als Anwalt der Beschwerdeführerin DKP ein Fax des Bundesverfassungsgerichts, in dem der Beschluss des 2. Senats vom 22.07.2021 übermittelt ist. Der Tenor lautet:
      „1. Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses vom 8. Juli 2021 wird aufgehoben

  1. Die Beschwerdeführerin wird als wahlvorschlagsberechtigte Partei zur Wahl des 20. Deutschen Bundestages anerkannt.“

In der 14seitigen Begründung heißt es nach der Wiedergabe des Vortrags der Beschwerdeführerin und des Bundeswahlleiters: „Entgegen der Ansicht des Bundeswahlausschusses“ sei die Beschwerdeführerin gemäß §18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BWahlG als wahlvorschlagsberechtigte Partei für die Wahl anzuerkennen. Entscheidend sei, „ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einer Partei – unter Einschluss der Dauer ihres Bestehens – den Schluss zulässt, dass sie ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft erfolgt“ (S.7). Die Ansicht des Bundeswahlleiters, aus der angeblich sechs Jahre lang verspäteten Abgabe von Rechenschaftsberichten folge der Verlust des Parteienstatus, sei falsch. Allein verspätet eingereichte Rechenschaftsberichte genügten nicht, die Rechtsfolge auszulösen, die das Gesetz für die Nicht-Einreichung in §2 Abs. 2 Satz 2 PartG vorsehe. „Den verfassungsrechtlichen Transparenzanforderungen dürfte in einem solchen Fall regelmäßig noch Rechnung getragen sein.“ (S. 10)

Zusammenfassend wird ausgeführt, das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse lasse darauf schließen, dass die DKP ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolge. „Trotz verspäteter Einreichung von Rechenschaftsberichten hat die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit aktiv an Wahlen teilgenommen und auch ansonsten die Ernsthaftigkeit ihrer Teilnahme am Prozess der politischen Willensbildung nachgewiesen“ (S. 13/14)

Damit hat ein in mehrerer Hinsicht ungewöhnliches Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht einen positiven Abschluss gefunden. War doch die DKP von der Entscheidung des Bundeswahlausschusses kalt erwischt worden; der Bundeswahlleiter hatte es versäumt, mit der Einladung die mögliche negative Entscheidung des Bundeswahlausschusses anzukündigen, sie also noch nicht einmal ordnungsgemäß angehört. Nach der Bekanntgabe und Mitteilung der Nichtanerkennung am Donnerstag, den 08.07.2021 waren vier Tage Zeit für die Einreichung der vollständig begründeten Beschwerde (bis Montag, den 12.07.2021; also über das Wochenende!). Und auch zur Stellungnahme des Bundeswahlleiters am Freitag Nachmittag, den 16.07.2021, wieder nur vier Tage Frist bis Montag, den 19.07.2021 um 12:00 Uhr. Ähnliches habe ich in meiner bisherigen Anwaltstätigkeit noch nicht erlebt – aber es hat sich gelohnt.

Mein Kommentar aus unserer Menschenrechtskanzlei in Berlin:
– Die Entscheidung könnte auch eine Absage an den juri-stisch gepflegten Antikommunismus der letzten Jahrzehnte einleiten. Anerkannt wird auch die Kundgebung der DKP anlässlich des, wie das BVerfG selbst ausdrücklich schreibt, Jahrestags des deutschen Überfalls auf die frühere Sowjetunion. Diese Feststellung ist nicht selbstverständlich.
– Oder, in Abwandlung eines Zitat aus früheren Jahrhunderten: Es gibt noch Richter in Karlsruhe!

p.s.: Meine Beschwerde für die DKP war die einzig erfolgreiche der insgesamt 20 eingereichten Nichtanerkennungsbeschwerden.

Berlin, den 27.07.2021
H.-Eberhard Schultz, Rechtsanwalt

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