Am 1. Juli 2024 jährt sich der Mord an Marwa El-Sherbini im Dresdner Landgericht zum 15. Mal. Die ägyptische Pharmazeutin wurde 2009 während einer Gerichtsverhandlung aus rassistischen Motiven von einem Neonazi erstochen – in einem deutschen Gerichtssaal, ohne jeglichen Schutz durch staatliche Institutionen.
Auch in diesem Jahr hatte ihre Familie frühzeitig darum gebeten, an der offiziellen, öffentlichen Gedenkveranstaltung vor dem Landgericht in Dresden am 1.7 um 17 Uhr teilnehmen zu können – vertreten durch ihren langjährigen Anwalt ihres Vertrauens, Menschenrechtsanwalt Eberhard Schultz. Trotz mehrfacher Anfragen an das Sächsische Justizministerium, das Landgericht Dresden, die Stadt Dresden sowie die organisierende Initiative “Gedenken, Erinnern, Mahnen” wurde dieser Wunsch abgelehnt. Als Begründung wurde genannt, dass die Rednerliste bereits festgelegt worden sei und Änderungen nicht mehr möglich seien. „Dass meiner Stimme als Anwalt der Familie kein Raum gegeben wird, ist für die Angehörigen nicht nachvollziehbar. Gerade an einem Tag, der antimuslimischen Rassismus bekämpfen soll, sollte die Perspektive der Betroffenen nicht fehlen.“
Auch Tarek El-Sherbini, der Bruder von Marwa El-Sherbini, ist fassungslos: „Wir waren schockiert, warum unser Anwalt nicht sprechen darf – am 1. Juli, dem Gedenktag für meine Schwester???? Es ist ihr Tag, ihr Name, der erinnert wird. Wir können dieses Jahr nicht nach Deutschland kommen, aber es ist uns wichtig, über Herrn Schultz eine Botschaft zu senden.“
Die Familie macht zudem erneut auf ein bis heute schmerzhaftes und nicht nachvollziehbares Detail aufmerksam: Bereits im Oktober 2008 – rund zehn Monate vor dem Mord – hatte der Täter an das Gericht geschrieben, wonach “diese verrückte Islamistin kein Lebensrecht hat”. Davon wurde Marwa nicht informiert, geschweige denn irgendwelche Schutzmaßnahmen ergriffen.
„Wir leiden bis heute unter dem Verlust und der Art, wie alles geschehen ist“, erklärt Tarek El-Sherbini weiter. „Der Täter wird bald wieder in Freiheit leben. Wir wünschen uns, dass niemand jemals so etwas erleben muss wie wir.“
Es geht der Familie nicht um Formalitäten, sondern um eine wirksame Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus. Wenn man die Stimmen der Betroffenen nicht zulässt, droht die Kritik am antimuslimischem Rassismus zu institutionellem Rassismus zu werden.