Pressemitteilung – Die Familie, der im Landgericht Dresden ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini, mahnt auch nach 15 Jahren einen mehr als symbolischen „Tag gegen Antimuslimischen Rassismus“ an

Pressemitteilung

Die Familie, der im Landgericht Dresden ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini, mahnt auch nach 15 Jahren einen mehr als symbolischen „Tag gegen Antimuslimischen Rassismus“ an

Mein Beitrag als Rechtsanwalt der Familie

Wie in den letzten Jahren seit der Ermordung der Ägypterin Marwa El-Sherbini vor 15 Jahren, sollte und wollte ich auch in diesem Jahr auf der offiziellen Gedenkveranstaltung des Justizministeriums vormittags und der Veranstaltung des Ausländerrats nachmittags sprechen. Dazu hatte mir der Bruder von Marwa einen Beitrag übermittelt, in dem es heißt:

„Wir freuen uns, dass inzwischen wenigstens der Park vor dem Landgericht im letzten Jahr endlich nach unserer in dem Gericht ermordeten Marwa benannt worden ist. Wir hätten uns auch gerne persönlich vor Ort bedankt, haben aber in diesem Jahr zum ersten Mal leider keine persönliche Einladung erhalten. Aber vielleicht lässt sich das ja nachholen – jedenfalls ist das Gedenken an Marwa nicht nur in unserem Familien – und Freundeskreis nach wie vor sehr lebendig, sondern in der gesamten Umgebung. Wird das Gedenken an Marwa doch durch jede Meldung über die erschütternden Todesfälle in Gaza aktualisiert“

Leider kam die Einladung des Justizministeriums erst am 17.06.24 und der Wunsch der Familie, dass ihr Rechtsanwalt dort wieder sprechen kann, wurde abgelehnt. Alle Bemühungen, um das zu ändern, schlugen fehl. Auch der Ausländerrat der Stadt Dresden hat
sich erst nach dem Austausch zahlreicher Informationen bereit erklärt, mich auf der Veranstaltung des Ausländerrats mit einem kurzen Beitrag zu Worte kommen zu lassen zum Tag gegen Antimuslimischen Rassismus.

Bisher spricht also alles dafür, dass man höheren Ortes die Stimme der unmittelbar Betroffe-nen nicht hören will. Das wäre eine neue Stufe, in dem mehr als traurigen Kapitel eines institutionellen Rassismus, wie wir ihn in unserem neu erschienen Buch „Das Problem heißt institutioneller Rassismus – Vielfalt statt Ausgrenzung“ mit Expert:innen und Betroffenen und ihren Organisationen kritisiert haben.

Bleibt nur noch die Hoffnung, dass ich mich irre. Ansonsten bleibt es bei der fundamentalen Kritik an der Behandlung des Gedenktages von Marwa El-Sherbini, ausgerechnet am Tag gegen Antimuslimischen Rassismus, wie wir sie in den letzten Jahren formuliert haben (https://www.menschenrechtsanwalt.de/2022/07/redebeitrag-auf-der-gedenkveranstaltung-fuer-marwa-el-sherbiny-am-01-07-2022/):

„Ich glaube, wir können uns nur schwer in die Situation der Familie versetzen, die nach alledem, statt eine Wiedergutmachung zu erhalten, die diesen Namen verdient, derartige Alpträume durchmachen muss!?“


Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung, auch unter der Mobiltelefonnummer 0172 4203768

Dresden, 01.07.24
H. Eberhard Schultz, Rechtsanwalt


Evelyn Hecht–Galinski, Gründerin der deutschen Abteilung der Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und Tochter des ehemaligen Vorsitzenden des „Zentralrats der Juden in Deutschland“ (1942-1992), kommentiert:

„Als Deutsche mit jüdischen Wurzeln bin ich entsetzt über die aktuelle Entwicklung und kann nur hoffen, dass der rassistische Mord an der Ägypterin Marwa Sherbiny und seine skandalösen Begleiterscheinungen nicht in Vergessenheit geraten. Muss es erst wieder zu Massenprotesten im Ausland kommen, bevor die Mitschuld der Institutionen in Deutschland am Zustandekommen derartiger rassistischer Verbrechen, ihre fehlenden Aufarbeitung anerkannt sowie eine Entschädigung geleistet wird, die diesen Namen verdient. Was erleben wir gerade anstelle einer wirksamen Bekämpfung des Antimuslimischen Rassismus? Ich bin entsetzt darüber, dass jetzt sogar mit einem neuen Gesetz in Deutschland das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung der Einbürgerung gemacht werden soll. Wir müssen aufpassen, dass hier nicht auf diesem Umweg der antimuslimische Rassismus zusammen mit Israel zur deutschen Staatsraison gemacht wird!“


Horsta Krum (Berlin), Theologin mit dem Schwerpunkt: Friedensarbeit, kommentiert:

„Der Park trägt jetzt den Namen der ermordeten Marwa. Offenbar meinten die politisch Verantwortlichen, dass sie am „Tag gegen anti-muslimischen Rassismus“ mit dieser Namensgebung ihre Pflicht erfüllt hätten. Die bloße Anwesenheit der Familie und des Rechtsanwaltes, der in der Vergangenheit bei dieser Gelegenheit sprechen konnte, sei nun mehr als genug. Auch der Ausländerrat, der eine Veranstaltung am Nachmittag desselben Tages durchführt, äußerte sich zunächst in diesem Sinne mit der fadenscheinigen Begründung: Es sei keine Zeit – bis er schließlich dem Rechtsanwalt drei Minuten Redezeit einräumte.

Die verbale und tätliche Gewalt an Menschen mit ausländischer Herkunft, besonders an Muslimen, wird heruntergespielt und möglichst verschwiegen. Die Proteste gegen die Verbrechen der israelischen Armee werden kriminalisiert und tragen schnell den Stempel „Antisemitismus“.

Der Umgang mit diesen Protesten und der Vorfall in Dresden sind nur zwei Beispiele dafür,was mit dem Begriff „öffentlicher Frieden“ gemeint ist (gemeint sein könnte), wie er seit Ende letzten Jahres im Strafgesetzbuch steht. Er ebnet den Weg hin zu einem autoritären Staat mit kontrollierten öffentlichen Äußerungen, kontrollierten Versammlungen und Demonstrationen.“

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