Öffentliche Verhandlung des Anwaltsgerichtshof über Anfechtung der Wahl des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Berlin:
Ort: Kammergericht, Elßholtzstraße 30-33, 10781 Berlin, Saal 469 (4. Etage); Datum: 09.12.2015, 11.30 Uhr
Hinweis: Der Termin am 9.12. konnte nicht durchgeführt werden, weil das Anwaltsgericht versehentlich den Präsidenten der Berliner Rechtsanwaltskammer nicht geladen hatte, was erst im Termin festgestellt wurde.
NEUER TERMIN: 10. Feburar 2016 um 11.30 Uhr
Im März dieses Jahres wurden 14 neue Mitglieder in den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin gewählt. Darunter befanden sich acht Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die gemeinsam auf einer Liste des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V (BUJ) kandidierten. Sie selbst sind Unternehmensjuristen, stehen also in einem abhängigen Dienstverhältnis eines Unternehmens (sog. Syndikus-Anwälte) und sind Mitglieder des BUJ.
Erst nach der Wahl wurde bekannt, dass die jeweiligen Unternehmen der Kandidaten ebenfalls Mitglieder des BUJ sind. Ihre Wahlkampagne wurde vom BUJ finanziert. Auch soll Angehörigen von Anwaltskanzleien, die regelmäßig Unternehmen des BUJ gerichtlich vertreten, von Mitgliedern des BUJ bedeutet worden sein, dass deren Wahlverhalten für künftige Aufträge nicht ohne Bedeutung wäre – ein Umstand, der von der Rechtsanwaltskammer Berlin bisher nicht bestritten wurde.
Die Berliner Rechtsanwälte Eberhard Schultz und Claus Förster haben daher die Wahl angefochten. Über ihre Klage wird der Anwaltsgerichtshof entscheiden.
Nach eigenen Angaben gehören dem BUJ ca. 850 Unternehmen an, darunter z.B. Allianz AG, AUDI AG, Axel Springer AG, BMW AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Bahn AG, Deutsche Telekom AG, Deutsche Lufthansa AG, E.ON SE, METRO AG, Siemens AG, ThyssenKrupp AG usw. Das Mitgliedsverzeichnis liest sich wie ein „Who is who“ der deutschen Wirtschaft.
Laut Satzung des BUJ können die Unternehmen als Gruppenmitglieder für ihre Unternehmensjuristen die Beiträge pauschal mit bezahlen; die Leistungen des BUJ kommen dann den Unternehmensjuristen zugute. Nach der Satzung des BUJ können ihm und sogar dem Vorstand auch Mitglieder von Organen, d.h. Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte der jeweiligen Unternehmen angehören. Sie müssen keine Rechtsanwälte, noch nicht einmal Juristen sein.
Ebenso nach eigenen Angaben des BUJ sind 3% der ihm angehörenden Unternehmen öffentlich-rechtliche Anstalten, bzw. Körperschaften oder Dachverbände solcher juristischer Personen. So stehen z.B. hinter dem „Gruppenmitglied“ Bayerischen Versorgungskammer 18 Versorgungswerke. Damit steht fest, dass insoweit eine indirekte – und somit unzulässige – Wahlbeeinflussung durch die öffentliche Hand erfolgte.
Hauptziel des BUJ ist es, entgegen einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2011 das Aussageverweigerungsrecht des Anwalts – und damit das Durchsuchungsverbot seiner Kanzleiräume sowie das Beschlagnahmeverbot seiner Unterlagen – auch auf die Tätigkeit der im Unternehmen angestellten Juristen auszudehnen. Dies käme einer faktischen Straffreiheit für Unternehmer gleich. Zugleich hat der BUJ die Syndikus-Anwälte unter Ausnutzung ihrer arbeitsrechtlichen Abhängigkeit instrumentalisiert, die sich weiterhin die Freistellung von ihrer Versicherungspflicht gegenüber der Deutschen Rente erhoffen. Denn aufgrund der Entscheidung des EuGH hat das Bundessozialgericht (BSG) die Voraussetzung einer Freistellung der Syndikus-Anwälte mangels der erforderlichen Selbständigkeit verneint. Damit hat das BSG den Zugang zu den Versorgungswerken der Anwaltschaft versperrt, von denen sich die Syndikus-Anwälte bei geringerer Beitragspflicht eine bessere Versorgung versprechen.
Wenn diese Vorgehensweise rechtens ist, dann werden künftig Pharmafirmen in den Apothekerkammern, Medizingerätehersteller in den Ärztekammern, Makler, Immobilienhändler, Bauunternehmer und Wohnungsgesellschaften in den Architekten- und Ingenieurskammern mitmischen. An die Stelle des Rechtsstaat wird der Staat der Lobbyisten treten.
Rechtsanwalt Häusler, der anwaltliche Vertreter der Kläger, erklärte hierzu: „Der demokratische Rechtsstaat bedarf einer unabhängigen Justiz, die ohne eine starke und unabhängige Anwaltschaft nicht denkbar ist. Die Unabhängigkeit fängt nicht erst beim einzelnen Anwalt an, sondern bedarf einer strukturellen rechtlichen Absicherung seiner Selbstverwaltung durch die Kammern. Wenn berufsfremde Personen, insbesondere Unternehmen mit ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit in den Kammern mitmischen dürfen, ist dies der Anfang vom Ende – nicht nur der Rechtsanwaltskammern, sondern der Justiz insgesamt!“
Berlin, den 8. Dezember 2015 Rechtsanwälte Eberhard Schultz und Claus Förster