Geheimdienst vor Gericht – VVN-BdA-Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Fink setzt sich vor dem Verwaltungsgericht gegen den bayerischen Verfassungsschutz zur Wehr

Die Verhandlung findet am 2. Oktober 2014 um 14 Uhr in München, Bayerstraße 30, Sitzungssaal 6 im Erdgeschoss statt.

ERGEBNIS DER VERHANDLUNG: Im Termin am 02.10.2014 wurde mehr als zwei Stunden verhandelt und vom Vorsitzenden deutlich gemacht, dass die Gegenseite, also letztlich der Verfassungsschutz, die Beweislast für die von dem Mandanten bestrittenen Äußerungen und Behauptungen trage. Nach Beratung hat das Gericht dann beschlossen: zum Beweis der Tatsache, dass Kläger IM …. ist, sind die den Kläger betreffenden Unterlagen des Bundesbeauftragten für den Kläger des Staatssicherheitsdienstes der DDR hinzuzuziehen und eine amtliche Auskunft des Bundesbeauftragten hierzu einzuholen.

In der jungen Welt erschien in der Ausgabe vom 30.09.14 ein Artikel zu den Hintergründen, außerdem ein Interview mit Rechtsanwalt Eberhard Schultz zu seiner grundsätzlichen Kritik am Verfassungsschutz.

Pressemitteilung vom 1.10.14 zu Prof.Dr. Fink

Professor Dr. Heinrich Fink, Bundestagsabgeordneter a. D., aus Berlin, Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) kämpft gegen seine Eintragung im Verfassungsschutzbericht des bayerischen Innenministers

Am Donnerstagnachmittag findet nach mehr als drei Jahren zum ersten Mal eine mündliche Verhandlung über den im August 2011 gestellten Eilantrag und die Klage meines Mandanten statt. Damit wehrt er sich dagegen, dass er in jedem Jahr erneut im Verfassungsschutzbericht des bayerischen Innenministers an den Pranger gestellt wird. Inzwischen ist Bayern das einzige Land, in dem er noch als »verfassungsfeindlicher Extremist« geführt wird.

Die Liste der ihm in den Verfassungsschutzberichten 2011, 2012 und 2013 vorgeworfenen „extremistischen“ Aktivitäten ist lang, z. B. die Aussage »Solange Nazis marschieren dürfen, werden sich ihnen Antifaschisten in den Weg stellen, auch mit Blockaden.« Damit soll er das Gewaltmonopol des Staates bestritten haben. Ausgemacht werden weiter »typisch antirepressive Argumentationsmuster« in den Äußerungen meines Mandanten, die angeblich »die staats- und verfassungsfeindliche Grundeinstellung unter Beweis stellen«. Ihm wird ausdrücklich angekreidet, eine Petition für die Aufhebung des KPD-Verbotes zu unterstützen. Weiter sein »Eintreten für ein sozialistisches beziehungsweise kommunistisches Gesellschaftssystem«, seine »Verharmlosung des DDR-Unrechtsregimes« und die angeblich »kommunistisch gefärbte linksextremistische Position der VVN-BdA«. Alle diese Vorwürfe sollen sich aus Zitaten ergeben, die überwiegend aus längeren Beiträgen aus dem Zusammenhang gerissen sind.

Die Krönung des Ganzen sind dann die längst widerlegten Behauptungen, Fink sei Mitglied und Funktionär der SED und IM der Stasi gewesen, sogar heute noch »Alt-Stalinist«! (siehe unten)

All diese Zitate belegen nur eine konsequent antifaschistische Haltung und Kritik an der Kriminalisierung, etwa von Blockaden neonazistischer Aufmärsche in Dresden, aber nirgendwo das von der Rechtsprechung geforderte nachweisliche »aggressive Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele«. Hier dürfte also das Grundrecht des Mandanten auf freie Meinungsäußerung verletzt sein. Für den bayerischen Innenminister ist es aber offenbar unverzeihlich, wenn die Kritik grundsätzlich ist und als Systemkritik verbunden wird mit dem »Eintreten für den Sozialismus« – obwohl das kapitalistische Gesellschaftssystem ausdrücklich nicht im Grundgesetz festgeschrieben ist, es also nicht verfassungswidrig sein kann, für eine andere Gesellschaftsordnung einzutreten.

Der Versuch gegen die Stigmatisierung durch den Verfassungsschutzes zu kämpfen, lohnt sich, auf politischer wie auf juristischer Ebene. Auch wenn es lange dauern kann wie bei Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner, der vier Jahrzehnte geheimdienstlich beobachtet wurde, bevor das gerichtlich gestoppt werden konnte. Die Beobachtung der Abgeordneten der Linken konnte kürzlich mithilfe des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls beendet werden. Es ist auch politisch notwendig.

Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Winfried Hassemer hat das in einem Gutachten treffend zusammengefasst: »Wer in den Verfassungsschutzberichten als für den Rechtsstaat gefährlich und als extremistisch erwähnt wird, ist von der Teilhabe am politischen Meinungsbildungsprozess und auch am öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Dies gehört zum Sinn solcher Veröffentlichungen, das ist eine der Aufgaben der Ämter für Verfassungsschutz.« In Bayern wirkt das Gift des Antikommunismus, die »Grundtorheit des 20. Jahrhundert«, wie Thomas Mann formulierte, immer noch besonders stark fort und Feindbilder aus den Zeiten des kalten Krieges lebendig gehalten werden sollen. Doch das Verfahren meines Mandanten und der VVN-BdA gerade in München, dem Ort des Jahrhundertprozesses gegen den rechtsterroristischen NSU, könnte dazu beitragen, der Öffentlichkeit klar zu machen: Dieser »Verfassungsschutz« ist so überflüssig wie ein Kropf und gehört ersatzlos abgeschafft. Denn er ist nicht nur ineffektiv und unkontrollierbar, sondern ungemein gefährlich für die Demokratie, weil er genau die falschen Feindbilder konstruiert bzw. verfestigt. Deshalb fordert die Internationale Liga für Menschenrechte, in der ich aktiv bin, zusammen mit anderen Bürgerrechtsorganisationen seine komplette Abschaffung.

Zu dem zentralen Vorwurf, er sei zu DDR-Zeiten IM der Stasi gewesen, habe ich bereits in einer Pressemitteilung 2011 Stellung genommen: Es ist richtig, dass er 1991 wegen dieser Behauptung vom zuständigen Senator fristlos entlassen wurde und das Landesarbeitsgericht die Kündigung abgesegnet hat. Wesentliches Beweismittel war ein Eintrag in Stasiunterlagen, wonach ein »IM Heiner« vom evangelischen Kirchentag berichtet habe – dies könne nur Professor Fink gewesen sein, obwohl der Stasioffizier, von dem der Eintrag über den Bericht stammte als Zeuge vor Gericht ausgesagt hatte, dass es sich nicht um Professor Fink gehandelt habe. Ich habe daraufhin gegen das Urteil eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die nach vier Jahren öffentlich verhandelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht sah sich außer Stande, in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin einen Verstoß gegen Verfassungsgrundrechte zu sehen.

In einer Pressemitteilung zu dem Urteil habe ich damals unter anderem ausgeführt: »Es bleibt aber dabei: Prof. Fink war nicht „IM Heiner“, hat keine Verpflichtungserklärung unterschrieben, irgendwelche Berichte für das Mfs verfasst, keine konspirativen Treffs durchgeführt, Geschenke angenommen o.ä. – geschweige denn, jemand geschadet, das hat er anlässlich der Urteilsverkündung noch einmal betont. Er wurde vielmehr wie alle, die in der DDR Verantwortung trugen, auch von der Stasi „abgeschöpft“. Er hat sich als engagierter Theologe immer wieder für die Bürgerrechte eingesetzt, wurde von der Stasi selbst flächendeckend überwacht, vor der Wende noch bei einer Demonstration von der Polizei verprügelt u.a.

Ausgerechnet dem ersten frei gewählten Rektor der Humboldt Universität nach der Wende, der versucht hat, zusammen mit Studenten und Professoren die Humboldt Universität mit den vorhandenen Menschen im Sinne eines kritischen Reformmodells zu erhalten: Dies war der wahre Hintergrund seiner Entlassung, deshalb geriet er in die Schlagzeilen und wurde von manchen Politikern und den Meinungsmachern von FAZ, Spiegel u.a. als „IM Heiner“ diskriminiert. Die Betroffenen haben den Ruf der Universität nie gefährdet gesehen. Im Gegenteil noch nach seiner fristlosen Kündigung haben die maßgeblichen Gremien ihm erneut mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen, worauf das Urteil nur am Rande nach dem Motto hinweist: verfassungsrechtlich unbeachtlich. Dass aber bis heute sich niemand gemeldet hat, der von der angeblichen Tätigkeit für das MfS geschädigt wurde, während umgekehrt eine Reihe von Betroffenen das Engagement von Prof. Fink für ihre Bürgerrechte zu DDR-Zeiten dokumentierten.

Jahre später wurde in einem Strafverfahren vor dem Berliner Amtsgericht gegen einen ehemaligen Stasioffizier festgestellt, dass dieser es war, der unter dem Decknamen »IM Heiner« vom evangelischen Kirchentag berichtet hatte. Es wäre also an der Zeit, diesen Justizirrtum zu korrigieren – jedenfalls sollten sich Demokraten und Antifaschisten, die gegen nationalsozialistische Kriegsverbrechen antreten, nicht von angeblich »erdrückenden Beweisen« irritieren lassen.

Berlin, den 01.10.2014 Schultz, Rechtsanwalt

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