Presse-Echo: Neues Deutschland und junge Welt berichten über Kampfdrohnen-Prozess

Blutige Hände im Hohen Haus

Juristisches Nachspiel einer friedlichen Protestaktion im Bundestag

Die Abgeordneten debattieren über den Kauf von Kampfdrohnen, auf der Zuschauertribüne erhebt sich Protest. Für die Aktion im Bundestag steht die 81-jährige Laura von Wimmersperg nun in Berlin vor Gericht.

Von Peter Kirschey

Rund 50 Kriegsgegner waren zum Prozessauftakt erschienen, für nur elf Zuhörer gab es Plätze. Anlass genug für Anwalt Hans-Eberhard Schultz, ob des öffentlichen Interesses eine Verlegung in einen größeren Saal zu beantragen. Doch Amtsrichterin und Staatsanwaltschaft wiesen den Antrag zurück. Zudem befand Schultz, dass die Anklage erhebliche Mängel aufweise, da das eigentliche Geschehen vor zweieinhalb Jahren gar keine Erwähnung finde. Und so vertagte man sich auf November.

Wäre sie zu Wort gekommen, hätte sich Laura von Wimmersperg als Überzeugungstäterin für gewaltfreien Protest noch einmal nachdrücklich zu der Antidrohnenaktion im Bundestag bekannt. Rückblende: »Das Wort hat der Kollege Florian Hahn für die CDU/CSU«, bittet die damalige Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), am 24. April 2013 den Abgeordneten ans Rednerpult. Man will über die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr debattieren. Als der CSU-Mann loslegen will, erheben sich auf der Zuschauertribüne vier Besucher. Sie halten ihre rotbemalten, wie mit Blut besudelten Hände hoch und rufen: »Ächten Sie die Kampfdrohnen.«

Protestieren im Hohen Haus, das geht gar nicht, das ist unanständig. Man darf beschimpfen, beleidigen, platte Witze machen – ein Privileg der Abgeordneten; protestieren auf den Rängen verstößt gegen die Spielregeln. Der CSU-Mann ist empört, die Grünen-Vizepräsidentin reagiert sofort: »Ich bitte Sie, die Besuchertribüne zu verlassen.« Das war keine Bitte, sondern eine Aufforderung an das Sicherheitspersonal, die »Störer« aus dem Plenarsaal zu entfernen. Eine, die ihren Protest artikuliert, ist Laura von Wimmersperg, Berliner Friedensaktivistin im alten West- und im vereinigten Berlin seit Jahrzehnten. Nun steht sie vor Gericht, von der Staatsanwaltschaft der Verletzung der Hausordnung des Bundestages beschuldigt. Einen Bußgeldbescheid über 250 Euro hatte die 81-Jährige zurückgewiesen. Ihre drei Mitstreiter haben den Strafbefehl akzeptiert.

Ob Protest gegen Kampfdrohnen, Neutronenbombe oder NATO-Doppelbeschluss, Initiativen für die Rehabilitierung und Würdigung der Wehrmachtsdeserteure, Eintreten für ein differenziertes Bild über Russland – alle Friedensaktionen in Berlin sind untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Laura von Wimmersperg ist die Seele der Berliner Friedenskoordination (Friko). Seit 40 Jahren organisiert sie den Ostermarsch an der Spree. Sinkende Teilnehmerzahlen können sie nicht demotivieren. »Kriege haben immer ökonomische Hintergründe«, sagt sie am Rande des Verfahrens, »deshalb habe ich auch die Kraft weiterzumachen.«

Neues Deutschland – Bundesausgabe vom Mittwoch, 21. Oktober 2015, Seite 18

 

Zuviel Solidarität – Berliner Drohnenprozess vertagt

Am Dienstagmorgen sollte vor dem Berliner Kriminalgericht Laura von Wimmersperg wegen einer Aktion des zivilen Ungehorsams gegen Kampfdrohnen der Prozess gemacht werden. Gegen die langjährige Moderatorin der Berliner Friedenskoordination war wegen der Verletzung der Hausordnung des Bundestages ein Bußgeldbescheid in Höhe von 250 Euro verhängt worden, hiergegen hatte sie Einspruch eingelegt. Da in den vorgesehenen Gerichtssaal nur elf Besucher passten, aber mehr als 50 Prozessbeobachter gekommen waren, um der Angeklagten solidarisch zur Seite zu stehen, wurde die Verhandlung nach langem hin und her auf den 10. November vertagt. Gruppen der Berliner Friedenskoordination hatten vorab die Protestaktion im Parlament noch einmal erklärt:

(…) Im Rahmen einer der ersten Debatten des Plenums über die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr im Sommer 2013 hatte Laura von Wimmersperg mit drei weiteren Aktivistinnen und Aktivisten in einer Aktion zivilen Ungehorsams dagegen protestiert. Mit wie in Blut getauchten rot angemalten erhobenen Händen riefen sie in der Pause zwischen zwei Rednern mehrmals »Ächten Sie die Kampfdrohnen!«

Der Entscheidung für oder gegen Kampfdrohnen für die Bundeswehr kommt eine hohe Bedeutung zu, da ihr Einsatz auf Tötung unerwünschter Personen ohne juristisches Verfahren abzielt, die nicht Kombattanten im Sinne des humanitären (Kriegs-) Völkerrechts sind. Das ist ein Vorgehen, das als Mord und Kriegsverbrechen eingestuft werden muss, und mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes unvereinbar ist.

Gruppen der Berliner Friedenskoordination sind Mitinitiatoren der bundesdeutschen Antidrohnenkampagne. Sie haben z. B. im Rahmen dieser Arbeit an alle für Berlin gewählten Bundestagsabgeordneten einen Fragebogen zu Kampfdrohnen mit der Bitte um Beantwortung geschickt, der von nicht einmal der Hälfte der Bundestagsabgeordneten beantwortet wurde.

Nach Vorstellungen des zuständigen Richters soll die Verhandlung gegen Laura von Wimmersperg am 10. November im gleichen kleinen Raum 3007 des Kriminalgerichts in Berlin-Moabit stattfinden. Wer dieser beiwohnen will, sollte sein Erscheinen vielleicht vorab bei Gericht ankündigen – Telefon 030 90140.

junge Welt

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