Das Vereinsverbot des Bundesministers des Inneren von „DawaFFM“ auf dem Prüfstand beim Bundesverwaltungs-gericht: zeitnahe Entscheidung über den Eilantrag zu erwarten

Mit Schriftsatz vom 15.07.2013 habe ich nach Einsicht in die Verwaltungsakte und Rücksprache mit den Mandanten dem 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ausführlich dargelegt, warum die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 26.02.2013 aufzuheben und dem Eilantrag der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben ist.

Einleitend heißt es in dem zwanzigseitigen Schriftsatz: Die Begründung der angefochtenen Verbotsverfügung ist zum Teil unschlüssig, zum Teil beruht sie auf fehlerhaften rechtlichen Bewertungen der Beweismittel und tatsächlichen Fehlinterpretationen von tendenziös ausgewerteten und aus dem Zusammenhang gerissenen Belegen; die Verbreitung einer einzelnen Stellungnahme zu einem gewaltsamen Angriff von jugendlichen Moslems, die den „Salafisten“ zugerechnet werden, auf Polizisten wird aufgebauscht und die für die Stellungnahme maßgebliche Anlass-Provokation der rechtspopulistischen „ProNRW“ mit den so genannten „Mohammed-Karikaturen“, die von den deutschen Sicherheitsbehörden und der Justiz entgegen ihren verfassungsrechtlichen Pflichten nicht verboten wurde, wird vollkommen ausgeblendet; unabhängig davon räumen die Kläger ein, dass einzelne beanstandete Dokumente – insbesondere die Nashids – von einem der Kläger in Unkenntnis ihres Inhalts ins Internet gestellt wurden und ebenso wie beanstandete Bücher bei entsprechenden Hinweisen auf problematische Inhalte selbstverständlich nicht weiter verbreitet bzw. gelöscht worden wären bzw. werden.

So aber verstößt die Verfügung gegen die Grundrechte der Religionsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der Meinungsfreiheit, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Willkürverbots sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die formellen Verbotsvoraussetzungen liegen nicht vor. Bei „DawaFFM“ handelt es sich lediglich um eine Internetplattform und nicht um einen Verein mit einer entsprechenden Vereinsstruktur und einer organisierten Willensbildung im Sinne des Vereinsgesetzes. Unabhängig davon sind die angeführten Belege nicht geeignet, die materiellen Voraussetzungen eines Verbots zu begründen. In Stichworten:

– Die Vorträge des Imams Rouali dienen der Aufklärung über den Islam und keiner „Missionierung im Sinne des Salafismus“.

– Die Kläger lehnen es ab, als „Salafisten“ denunziert zu werden, weil es sich hierbei um ein Konstrukt westlicher Geheimdienste handelt, das wissenschaftlich unhaltbar ist, und sie sich auch nicht als „Fundamental-Islamisten“ sehen oder bezeichnen.

– Die Kläger streben keine Sharia und keinen „Gottesstaat auf deutschen Boden“ an, wie ihnen unterstellt wird, sondern setzen sich für die Einhaltung von Grundgesetz und hiesigen Gesetzen ein und achten die Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Das BMI verkennt bei den als Beweisstücken für das Verbot angeführten Belegen aus den Vorträgen und sonstigen religiösen Texten, die „DawaFFM“ zugeschrieben werden, offensichtlich die Anforderungen, die sich aus der Reichweite des Grundrechts auf Religionsfreiheit ergeben: Der Schutzbereich der religiösen Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG umfasst religiöse Texte in ihrer Gesamtheit, auch wenn nach Auffassung der Behörden zur Tötung oder Körperstrafen aufgerufen wird, wie das OLG Stuttgart in seiner Grundsatzentscheidung betont hat: „Die Todesstrafe für Religionsverbrechen war und ist Religionen keineswegs fremd und war es auch nicht dem Juden- und Christentum (s. nur III. Mose 20, 13; hierauf beruhend Art. 116 Constitutio Criminalis Carolina 1532).

Ebenso wie die Meinungsfreiheit vorbehaltlich ihrer Schranken auch extremistische Meinungen schützt (BVerfG, Beschl. V. 04.02.2010 … NJW 2010, 2193 ff. 2194), schützt das Religionsrecht vorbehaltlich seiner Schranken auch fundamentalistische oder extremistische religiöse Bekenntnisse.“ Deshalb ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen, dass neben dem Wortlaut auch der gesamten Text, der Kontext und die Begleitumstände zutreffend interpretiert werden. Vorliegend sind diese aus der Verfassung abzuleitenden Maßstäbe einer sachgerechten Übersetzung und Interpretation – bei Mehrdeutigkeit zugunsten der Meinungs- bzw. Religionsfreiheit – missachtet.

Ihre Aktivitäten richten sich auch keineswegs gegen den Gedanken der Völkerverständigung, auch nicht die in der Internetplattform wiedergegebenen Warnung eines (nicht zu den Klägern gehörenden) Imams an die Bundesregierung wegen der Zulassung von Provokationen der rechtspolulistischen „Pro-NRW“ durch Zeigen der so genannten Mohammed Karikaturen (der Prophet als „Terrorist“ mit einer bereits gezündeten Bombe unter dem Turban). Dies wird anhand der jüngsten Entscheidung des UN-Ausschusses gegen rassistische Diskriminierung (CERD) gegen Deutschland wegen der fehlenden strafrechtlichen Verfolgung der rassistischen Thesen von Thilo Sarrazin so erläutert: „Legt man diese Grundsätze zugrunde, hätte die Kundgebung der rechtspopulistischen ProNRW verboten werden müssen, weil das Zeigen der Mohammed-Karikaturen offensichtlich die Straftatbestände der Volksverhetzung, der Beleidigung usw. erfüllt – wie dies etwa bei Beleidigungen christlicher Religionsgemeinschaften selbstverständlich wäre (vgl. die höchstrichterlichen Entscheidungen zur Strafbarkeit etwa zur Bezeichnung des Vatikans als „kriminelle Vereinigung“). Es ist bezeichnend für das tendenziöse Vorgehen des Bundesministeriums des Inneren, dass auf die Provokation seitens der rechtspopulistischen ProNRW durch das Zeigen der Mohammed- Karikaturen mit keinem Wort eingegangen wird, sondern so getan wird, als handele es sich bei den Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Kundgebung von NRW um Ausschreitungen muslimischer Jugendlicher gegen die deutsche Regierung ohne jeden Anlass. Tatsächlich aber haben die deutschen Sicherheitsbehörden und die Justiz eine erhebliche Mitverantwortung an der späteren Auseinandersetzung, weil sie es versäumt haben, ihren völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen Pflichten mit einem Verbot der Provokation durch die „Mohammed- Karikaturen“ zu kommen.“

Anhand neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse wird dargelegt, dass die Unterstellung in der Verbotsverfügung des BMI „ein von den Salafisten geschaffenes Freund-Feind-Schema sei Grundlage eines Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ unhaltbar ist und eher auf das Konstrukt westlicher Geheimdienste zutrifft. Die Begründung des Vereinsverbots durch das BMI muss an den hohen Hürden der verfassungsrechtlich garantierten Vereinigungsfreiheit und der Religionsausübungsfreiheit scheitern. Bezeichnenderweise setzt sich die 38-seitige Verbotsverfügung an keiner Stelle mit dem Grundrecht der Religionsausübungsfreiheit des Art. 4 GG auseinander.

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