OVG Berlin-Brandenburg entscheidet im Eilverfahren über die Beschwerde von Mohammed Hajib

PRESSEMITTEILUNG

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet im Eilverfahren über die Beschwerde von Herrn Mohammed Hajib gegen die Verweigerung der Akteneinsicht durch das Auswärtige Amt – der UN Menschenrechtsrat verlangt die Freilassung des deutsch-marokkanischen Staatsangehörigen von Marokko

Im Falle meines Mandanten Mohammed Hajib, dessen Vertretung in Deutschland ich Ende Juni des Jahres übernommen habe, stehen zur Jahreswende wichtige Entscheidungen bevor. Er sitzt gegenwärtig noch im Gefängnis in Tiflet, Marokko, wegen einer Verurteilung zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wegen „Terrorismus“ aufgrund eines durch Folter erzwungenen Geständnisses in Polizeihaft als einzigem „Beweismittel“.

Das Auswärtige Amt hat ihn in der Haft sporadisch konsularisch betreut. Der Fall des Antragstellers hat aufgrund von Anfragen der Grünen (MdB Christian Ströbele) und der Linken (MdB Wolfgang Nešković) Parlament und Regierung beschäftigt; Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und arabische Organisationen haben sich für ihn eingesetzt, das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, Arbeitsgruppe für willkürliche Festnahmen, hat sich an die Regierung von Marokko gewandt; deutsche und internationale Massenmedien haben über den Fall berichtet.

Er war nach seiner Einreise in Frankfurt am Main am 17.02.2010, aus Pakistan kommend (wo er nach den Beschuldigungen der marokkanischen Behörden „terroristische Aktivitäten“ durchgeführt haben soll), von Beamten des Landesdeskriminalamtes ausführlich befragt und dann zu einer Weiterreise nach Marokko gedrängt worden, wo er am darauf folgenden Morgen verhaftet und wenig später in Polizeihaft schwer gefoltert wurde.

Auf parlamentarische Anfragen hat die deutsche Regierung bestätigt, dass den marokkanischen Behörden am 17.02.2010 vom BKA über die Weiterreise nach Marokko „im Rahmen des auch auf Gegenseitigkeit beruhenden polizeilichen Informationsaustausches“ berichtet worden sei, obwohl er sich nach „deutschem Recht nicht strafbar gemacht habe und er kein Beschuldigter eines Strafverfahrens in Deutschland sei“.

Den Eltern von Mohammed Hajib wurden vom deutschen Konsulat ein Brief aus Pakistan gezeigt, wonach sich ihr Sohn in Pakistan – wo er einige Monate wegen illegaler Einreise inhaftiert war – nicht weiter strafbar gemacht habe. Alle Versuche, dieses Schreiben, das für ein Wiederaufnahmeverfahren in Marokko mit dem Ziel des Freispruchs von entscheidender Bedeutung wäre, zu erhalten, hat das Auswärtige Amt ebenso zurückgewiesen, wie eine Akteneinsicht in die dort geführten Akten über die konsularische Betreuung usw. Zur Begründung wird angeführt, die Vorgänge seien geheimhaltungsbedürftig, „Teile der konsularischen Betreuung des Antragstellers, deren Freigabe erhebliche nachteilhafte Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen mit Marokko oder Pakistan zur Folge hätte, weil sie die die zwischenstaatlichen Verhältnisse als vertraulich behandelte Kommunikation zwischen deutschen und ausländischen Behörden offen legen würde“.

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte demgegenüber den Eilantrag auf Akteneinsicht vor allem mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass das Auswärtige Amt im Besitz von Informationen sein könnte, die geeignet wären, den Tatvorwurf zu widerlegen und ein Wiederaufnahmeverfahren durch das marokkanische Gericht erfolgreich durchzuführen. Hiergegen habe ich Beschwerde eingelegt und zur Begründung eine eidesstattliche Versicherung des Vaters des Mandanten vorgelegt, wonach dieser das oben genannte Schreiben gesehen und es ihm von einer Mitarbeiterin des Konsulats übersetzt wurde. Über die Beschwerde muss nun das Oberverwaltungsgericht entscheiden.

Inzwischen ist eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgrund einer Stellungnahme des Menschenrechtsrates vom 31.08.2012 bekannt geworden. Am Schluss der umfangreichen Begründung heißt es:

„51. Die Verhaftung von Herrn Mohammed Hajib ist willkürlich, sie verletzt die Artikel 5,9,10 und 11 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Artikel 7, 9 und 14 des Internationalen Paktes zu den bürgerlichen und politischen Rechten. Seine Verhaftung erfüllt die Kategorie III der willkürlichen Verhaftung … Deswegen ersucht die Arbeitsgruppe die Regierung von Marokko, die unmittelbare Freilassung von Herrn Hajib zu veranlassen und ihm eine angemessene Entschädigung nach Maßgabe des Artikel 9 Abs. 5 des Internationalen Paktes zu den bürgerlichen und politischen Rechten zu zusprechen.

53. Die Gruppe entscheidet, dass die Beschuldigungen betreffend die Folterungen dem Spezialberichterstatter über die Folter und andere grausamen, und menschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen vorzulegen sind.“

Auch diese Entschließung der Vereinten Nationen wurde dem Oberverwaltungsgericht vorgelegt. Die Familie erwartet die in Kürze fällige Entscheidung des Gerichts mit großer Sorge. Der Vater hatte seine eidesstattliche Versicherung mit den Worten beendet:

„Wir bitten die deutschen Behörden und Gerichte, uns zu helfen, damit wir die Unschuld unseres Sohnes nachweisen können und er frei kommt“.

Schultz, Rechtsanwalt
Berlin, 07.12.2012.

Für weitere Informationen stehe ich Ihnen zur Verfügung (0172/4203768).
schultz@menschenrechtsanwalt.de

Die Pressemitteilung als pdf zum Download

Die Kommentare sind geschlossen.

7 Trackbacks von "OVG Berlin-Brandenburg entscheidet im Eilverfahren über die Beschwerde von Mohammed Hajib"

  1. am 23. November 2020 um 17:48
  2. am 23. November 2020 um 19:29
  3. am 23. November 2020 um 19:33
  4. am 23. November 2020 um 19:34
  5. am 24. November 2020 um 01:20
  6. am 24. November 2020 um 14:59
  7. am 27. November 2020 um 20:08