Der Islam – Schrecken des Abendlands

Werner Ruf, Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert, Köln 2012 (PapyRossa-Verlag), 129 S., 9,90 €
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Inhalt
Vorbemerkung 7
1. Die Konstruktion kollektiver Identitäten:
Wir und die Anderen 9
2. Rasse oder Kultur? 13
3. Der »Krieg gegen den Terror«
als gegenzivilisatorisches Projekt 21
4. Was aber ist »der Islam«? 26
5. Der Greater Middle East,
der Islam und die Ressourcen 37
6. Die NATO und ihr neues Feindbild Islam 49
7. Orient – Okzident: Eine Geschichte der Kriege? 59
8. Die Mär vom »christlich-jüdischen Erbe« des Abendlandes 65
9. Antisemitismus und Islamophobie:
Zwei Seiten einer Medaille? 72
10. Islamhetze und ihre Akteure 80
10.1 Sarrazin 82
10.2 »Islamkritische Postkarten« 86
10.3 Henryk M. Broder 89
10.4 Ralph Giordano 96
10.5 Die »Antideutschen« 99
10.6 Anti-islamische Websites 105
11. Die extreme Rechte entdeckt die Freundschaft zu Israel 110
12. Der Kampf gegen die »Islamisierung« – Kampf für eine andere Gesellschaft 122

ein schmales Bändchen, das es in sich hat; verständlich und flüssig geschrieben, legt es die Axt an die Wurzel des westlichen Selbstverständnisses von der Überlegenheit seines demokratischen Modells, des angeblich so aufgeklärten »christlich-jüdischen Abendlandes«.

Bereits in der Vorbemerkung spricht er von der grenzenlosen »Hysterie um den Islam«, die ihren sinnfälligen Ausdruck unter anderem darin findet, dass die Hälfte der 6000 auf Planstellen beschäftigten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hierzulande »die islamistische Szene« beobachten. Diese Hysterie – so Ruf – erkläre auch, warum die Mordserie des »nationalsozialistischen Untermenüs« nicht erkannt werden konnte – oder vielleicht gar sollte.

Es folgen 12 Kapitel, die den Bögen spannen von der »Konstruktion kollektiver Identitäten« mit dem herrschenden Islambild, über eine historische Entwicklung des westlichen Rassismus zum »Krieg gegen den Terror« als gegenzivilisatorisches Projekt bis hin zum letzten Kapitel, in dem Werner Ruf den Kampf gegen die »Islamisierung« als Kampf für eine andere Gesellschaft analysiert.

Zunächst wird das Feindbild Islam dekonstruiert aus dem massenpsychologischen Versuch der Herstellung von kollektiven Identitäten, „wir“ und „die anderen“, historisch mit der Entwicklung des Nationalstaates. Dann erläutert Werner Ruf, wie das Konstrukt dieses Feindbildes mit einem Zerrbild der Religion und der Geschichte des Islam an die Stelle eines völkischen Rassismus tritt und das Schreckgespenst einer rückständigen »islamischen Kultur« »dem Westen das mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion abhandengekommene Feindbild ersetzte: »der eines biologisch begründete Rassismus kommt seither mit Vorliebe im kulturellen Gewande daher«. »Das latent vorhandener Orientbild, das die »Orientalist« des Orients und die entsprechende »Okzident Tabuisierung« des Okzidents zum Gegenstand hatte, wurde reaktiviert in dem Augenblick, in dem Feind und Feindbild des bipolaren Zeitalters zugleich abhanden kam« (Seite 36)

Dem Autor gelingt es nicht nur, in einem kurzen Überblick darzulegen, dass die drei monopolistischen Buchreligionen in wesentlichen Punkten sehr ähnlich sind, sondern dass der Islam, der nach seinem Selbstverständnis auf den wichtigsten Propheten und deren Lehrerin der beiden anderen Religionen aufbaut, von großer Wichtigkeit auch für die kulturelle Entwicklung des »Abendlandes« war.

Doch letztendlich geht es nach Ruf beim „Krieg gegen den Terror“ um ein neokonservatives „gegenzivilisatorisches Projekt“. Die massiv betriebene Dämonisierung „des Islam“ und „der Muslime“ ist „nur“ das Mittel zu einem unsäglichen Zweck. Solange Muslime nur unter dem Gesichtspunkt der „Sicherheit“ gesehen oder als „Sicherheitspartner“ akzeptiert werden, ist alles Gerede von Integration sinnlos. Das Buch wendet sich gegen die Ethnisierung von Konflikten und gegen die Ausbreitung westlicher politischer Wahnvorstellungen. Es eignet sich deshalb für alle Bildungseinrichtungen und die Medien, die in Teilen bereits „Partner“ der islamophoben Hetze geworden sind.

Besonders verdienstvoll Werner Rufs kritische Auseinandersetzung mit den wichtigsten Akteuren den Stichwortgebern der Islamhetze bei uns, denen jeweils ein paar Seiten gewidmet werden, anhand von Bildern beziehungsweise Zitaten. Bleibt zu hoffen, dass Anhänger und Bürger hinter sich fortschrittlich gebenden »Islamkritiker« die Augen geöffnet werden, wenn sie etwa das Zitat eines der Wortführer der »Antideutschen« auf einer gut besuchten Konferenz eines Berliner »Mideast Feedoms Forum« lesen, der wörtlich forderte, »den Islam-Nazis … aufs Maul zu hauen, (sie) zu verknasten und umzubringen« (womit er ausdrücklich auch Moslems und ihre Unterstützer bei uns meinte) – ohne dass sich bei den Konferenzteilnehmern aus den Massenmedien Protest regte, geschweige denn die Ermittlungsbehörden wegen Volksverhetzung gegen den Antideutschen v. d. Osten-Sacken vorgegangen wären.

Hieran wird exemplarisch die eigentliche Funktion des rassistischen Feindbildes Islam deutlich: »der behauptete »Kampf der Kulturen« entpuppt sich als faschistoides Instrument, das auch die Grundlagen bürgerlicher Demokratie bedroht«. Gäbe es die Moslems nicht, die zum Sündenbock der sozialen Probleme in der gegenwärtigen Krise gemacht werden können, wären es die Roma und Sinti, die Obdachlosen, die Behinderten oder eine andere Randgruppe. Mit seinem Buch macht sein Ruf deutlich, dass es keineswegs nur um die Moslems als Opfer die mit, sondern vor allem um die so genannte Mehrheitsgesellschaft, um das Schicksal ihrer, d.h. unserer Demokratie.

Zu wünschen wäre diesem Buch, das es dazu beiträgt, die vielfältigen aber noch sehr zersplitterten Aktivitäten von Antirassisten, Antifaschisten und radikalen Demokraten, von kritischer wissenschaftlichen Forschung sowie religiösen Vereinigungen, von der Antikriegs- und der sozialen Protestbewegung zu gemeinsamen, zumindest koordinierten Aktionen und Kampagnen zu motivieren; dazu bedarf es der Dekonstruktion des »Feindbildes Islam« und seiner gesellschaftlichen Implikationen nach innen und nach außen, die den antimuslimischen Rassismus ausdrücklich als solchen benennt, entlarvt und bekämpft. Denn dies könnte zu einer Überlebensfrage für unsere Demokratie werden.

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