Oberverwaltungsgericht Bremen verhandelt am 30.09.2014 zum zweiten Mal über die Ausweisung eines angeblichen „Hasspredigers“ im Jahre 2005: Gerechtigkeit nach 9 Jahren?

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) muss zum zweiten Mal über die Anfechtung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 31.10.2005 durch die Stadtgemeinde Bremen, vertreten durch den Senator für Inneres und Sport, Ausländeramt, entscheiden. Bereits im Januar 2013 hatte das OVG nach stundenlanger Verhandlung mit elf Beweisanträgen des Vertreters des Innensenators die Berufung der Stadtgemeinde zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen, ebenso einen später eingereichten Antrag auf Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung.

Auf die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (100 Seiten), mit mehr als ein Dutzend Beschwerdepunkten hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des OVG aufgehoben, weil ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung nicht hätte abgelehnt werden dürfen, alle anderen Rügen wurden zurückgewiesen. Daraufhin hat das Oberverwaltungsgericht einen Termin zur Erörterung der Sach-und Rechtslage am 30.09.2014 anberaumt.

Da der Imam während eines Aufenthaltes in Ägypten ausgewiesen worden war, konnte er trotz der positiven Entscheidung bisher nicht nach Deutschland zurückkehren. Mit Bescheid vom 07. April 2014 hat die Ausländerbehörde inzwischen die Wirkung der Ausweisung nachträglich auf den 19.02.2015 befristet. Der Fall hat seinerzeit die regionalen Medien intensiv beschäftigt. Bis heute haben sich die Behörden geweigert, die zugrunde liegenden Erkenntnisse und Erkenntnisquellen offen zu legen. Das Verfahren wirft insgesamt ein Schlaglicht auf die schwerwiegenden menschenrechtlichen Defizite bei Verfahren gegen Moslems, die ohne gerichtsverwertbare Beweise der Unterstützung des Terrorismus bezichtigt werden.

Zum Hintergrund: In dem Ausweisungsbescheid , den der Imam mit Unterstützung der Moscheegemeinde und der Muslime Bremen e.V. angefochten hatte, wurde ihm vorgeworfen, so genannte „Hasspredigten“ gehalten zu haben; er habe u. a. „wiederholt scharfe Angriffe gegen die USA und Israel (geführt) und die Gläubigen dazu aufgerufen, den massenhaften Widerstand in Palästina, Afghanistan, Saudi Arabien und anderen Teilen der Welt gegen die imperialistische Politik der Busch-Scharon- Adiministration zu erproben; dieser Religionskrieg solle von den Gläubigen nicht durch Gebete sondern durch große Spendenbereitschaften in jeglicher Form unterstützt werden“.

Der Imam hat von Anfang an bestritten, einen Religionskrieg gegen die USA oder Israel zu führen oder unterstützen zu wollen bzw. zu Spenden hierfür aufgerufen zu haben. Er habe lediglich die Kriege und das Vorgehen gegen die Palästinenser kritisiert. Das Verwaltungsgericht hat der Klage 2005 stattgegeben, ohne auf die umstrittenen angeblichen Hasspredigten näher einzugehen; der Kläger habe sich weder an Gewalttätigkeiten beteiligt bzw. zur Gewaltanwendung aufgerufen, noch als Imam die freiheitlich, demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet -selbst wenn man die Richtigkeit des von der Sicherheitsbehörden vorgetragenen Inhalts der Predigten unterstelle. Die Stadtgemeinde hat dieses Urteil angefochten, ohne dies näher oder überzeugend zu begründen. Nachdem ich das OVG in den vergangenen Jahren mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass das Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer gegen die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonventionen verstößt, hat der 1. Senat im Februar letzten Jahres die Stadtgemeinde Bremen um Prüfung gebeten, ob die zugrunde gelegte Ausweisungsverfügung nicht aufgehoben werden könne, da es das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend halte. Der Innensenator hat sich hierzu nicht durchringen können, sondern nach mehr als einem halben Jahr angebliche neue Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden dem OVG vorgelegt. Diese erschöpften sich jedoch bei genauerer Betrachtung in irrelevanten Lappalien:

  • einem anonymen Schreiben eines Denunzianten gegen den Imam ohne irgendwelche konkreten Tatsachen;
  • Unterlagen über eine so genannte Hadsch-Reise, also eine Pilgerreise, wie sie jährlich von vielen Millionen Moslems durchgeführt werden.

Demgegenüber teilen die ägyptischen Behörden selbst mit, dass gegen die Person des Imams keine staatsschutzrelevanten noch sonstigen polizeilichen Erkenntnisse vorliegen. Es bleibt also abzuwarten, wie der Innensenator in der mündlichen Verhandlung sein Taktieren rechtfertigen will und ob dem Imam wenigstens nach 7 Jahren Gerechtigkeit widerfährt.

Berlin, den 26.09.2014 Schultz, Rechtsanwalt

zum pdf: Pressemitteilung Abd El Karim 26.09.2014

NACHTRAG:

In dem Erörterungstermin hat das Gericht ausgeführt, dass es jetzt in die Beweisaufnahme über den Imam damals vorgeworfenen Passagen seiner Predigt einsteigen werde und dazu Zeugen hören werde, sowie die Akten des Verfassungsschutzes anfordern und Vertreter des Landesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen vorladen, um zu klären, wie es seinerzeit zu dem Registrieren der Äußerungen gekommen ist, die mein Mandant und die Vereinsvorstand seinerzeit entschieden bestritten und zurückgewiesen hatten.

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