»Fünf Tage für die Cuban 5« in Washington DC

Hunderte aus über dreißig Ländern aktiv für eine baldige Freilassung der letzten drei der Cuban 5 (pdf der Berichts)

In einem ersten Bericht vom internationalen Treffen in Washington, das im Juni zum dritten Mal stattfand, fassen die beiden TeilnehmerInnen aus Deutschland – die Bundestagsabgeordnete Azize Tank (Fraktion DIE LINKE) und Rechtsanwalt Eberhard Schultz, Berlin, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte und aktiv im RAV (Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein) – ihre ersten Eindrücke zusammen. Sie kommen zum Ergebnis, dass eine humanitäre Lösung für die verbliebenen drei politischen Gefangenen, Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero, aus humanitären, menschenrechtlichen und politischen Gründen unabweisbar ist. Aber das Zeitfenster hierfür ebenso wie für die längst überfällige Normalisierung der Beziehungen zwischen der USA und Kuba wird enger und es sind noch eine Reihe von Hindernissen zu überwinden.

Wer wie wir hin und wieder internationale Tagungen besucht, kennt die Routine und Effizienz, mit der diese häufig von engagierten Fachleuten vorbereitet, durchgeführt und mit oft schon absehbaren und vorgefertigten Ergebnissen abgeschlossen werden. Das war in Washington anders: Nicht, dass es an Routine und Effizienz gefehlt hätte, hier kam etwas hinzu, das sich nicht nur mit lateinamerikanischem Temperament vieler TeilnehmerInnen erklären lässt; Überrascht und tief berührt waren wir immer wieder vom authentischen Engagement, dem Optimismus und Kampfgeist der meisten Beiträge, auch der US-amerikanischen Rechtsanwälte, MenschenrechtlerInnen, PolitikerInnen, PastorInnen. Dies ließ uns manche der bekannten Begleiterscheinungen in der Hektik der „schönen Neuen Welt“ außerhalb unserer Tagungsräume (von der Nahrung bis zur Werbung) leichter ertragen. Und von einem absehbaren Ergebnis kann erst Recht keine Rede sein, der Ausgang dieses Falles mit den Ausmaßen einer antiken Tragödie steht in den Sternen und hängt von vielen Faktoren ab. Wir bitten also um Verständnis dafür, dass dieser wechselseitig vorgetragene Bericht subjektiv und vorläufig ist.

Die Highlights der zweitägigen Fachkonferenz

Den Auftakt bildete eine zweitägige Konferenz unter dem Motto „Eine neue Ära in den Beziehungen USA-Kuba und dem Fall der Cuban 5“. Diese fand in der Calvary Baptist Church im Zentrum Washingtons statt und lieferte viele wichtige Informationen von sehr interessanten, zum Teil hochrangigen, Rednerinnen und Rednern sowie VertreterInnen aus über 30 Ländern, neben der USA vor allem viele aus Kanada, Lateinamerika (ein Dutzend alleine aus El Salvador!) und den skandinavischen Ländern.

Nach der Eröffnung durch die Vertreterin des internationalen Komitees für die Freiheit der fünf bildeten die Grußbotschaften von Rene Gonzáles und Fernando Gonzáles die ersten Höhepunkte, die sich mit bewegenden Worten bei den TeilnehmerInnen bedankten und zur Fortsetzung des Kampfes aufriefen. Es folgten Grußworte der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Manchu und des Befreiungstheologen Frei Betto aus Brasilien.

Auf dem anschließenden Eröffnungsplenum ergriffen zwei hohe kirchliche Würdenträger, die frühere Generalsekretärin des Nationalen Rates der Kirchen der USA. Rev. Joan Brown Campbell, und der frühere Bischof von Detroit, Thomas Gumbleton, sowie José Ramón Cabañas, der Chef der Interessenvertretung Kubas in den USA das Wort. Schließlich sprach der Schauspieler Danny Glover. Alle wurden immer wieder von Beifall und Standing Ovations unterbrochen, wenn sie in bewegenden Worten über das Schicksal der „fünf Helden“ und von der „Schande der USA“ sprachen und Präsident Obama daran erinnerten, dass es ihm nicht zustehe, sich auf das Wort Gottes und der Kirchen zu berufen, wenn er nicht deren jahrelanges Eintreten für eine humanitäre Lösung akzeptiere und umsetze.
Das erste Panel behandelte die Perspektiven der Beziehungen zwischen der USA und Kuba und des geheimen USAID-Programms gegen Kuba. Erstaunlich klare Worte fanden Lawrence Wilkerson, früherer hoher General der US-Army und Verwaltungschef des US-Verteidigungsministers Powell sowie Wayne Smith, früherer Chef der US-Interessenvertretung in Havanna: die Cuban 5 hätten unbewaffnet, ohne Absicht, der USA irgendwie zu schaden, gehandelt in dem Willen, ihre Mitbürger vor Invasion und wiederholten Angriffen der exil-kubanischen Amerikaner in Florida zu schützen; es sei zu fragen, wie es komme, dass die USA zum „safe haven“ (sicherer Hafen) für Terroristen geworden sei und ausgerechnet Kuba auf die Terrorliste setzten, eine „Schande für die USA“.

Es folgte ein Video, das die Untersuchungen des internationalen Komitees eindrucksvoll dokumentiert. Das Komitee hatte in London Mai diesen Jahres unter dem Vorsitz von drei ehemaligen Richtern der Obersten Gerichtshöfe von Südafrika, Indien und Frankreich stattgefunden, die vorher nicht mit dem Fall befasst waren. Diese fanden die von Menschenrechtsorganisationen schon früher festgestellten Verstöße nach mehrtägigen Beweisaufnahmen bestätigt.

Es folgte ein Panel über die Geschichte des Terrorismus gegen Kuba und über den Fall der Cuban 5, auf dem zunächst José Pertierra sprach, ein US-Rechtsanwalt, der die Regierung Venezuelas im Fall der Auslieferung von Luis Posada Carriles vertritt, der des Terroranschlages auf ein Flugzeug mit mehr als fünfzig kubanischen u.a. Opfern beschuldigt wird.

Die Beiträge zum Stand des Verfahrens und das weitere „Legal Update“

Im Zentrum des Panels zum „Legal Update“ standen zwei Themen:

– Die Situation der „Cuban 5“, vor allem der drei noch inhaftierten, neue und aktuelle Informationen über den Stand des Verfahrens und der Bemühungen auf nationaler und internationaler Ebene, die Menschenrechte für die fünf Kubaner durchzusetzen und die drei noch Inhaftierten endlich freizubekommen;

– Die Hintergründe für die Aktivitäten der Cuban 5 in den Exil-Organisationen in Miami mit Berichten über die Geschichte terroristischer Aktionen gegen Kuba, die kubanische Revolution, andere lateinamerikanische Staaten und Einzelpersonen; Aktionen, die von den USA unterstützt, finanziert bzw. zumindest geduldet wurden.

Martin Garbus, Hauptverteidiger im Verteidiger-Team, fasste noch einmal die unmenschlichen Haftbedingungen zusammen, denen sein Mandant Gerardo Hernández seit fast 15 Jahren unterworfen ist. Von 17 Monaten vollständiger Isolationshaft zu Beginn des Irak-Krieges 2003, über die Verlegung aller fünf Kubaner nach dem Verfahren in Hochsicherheitsgefängnisse quer über die ganze USA, bis hin zur jahrelangen Unterbindung jeglicher Kontakte zur Familie – es handelt sich um ein Bündel von Maßnahmen, die zusammengefasst sicherlich die Voraussetzungen von Folter erfüllen, die in zahlreichen internationalen Konventionen verboten ist und deren Verletzung in anderen Ländern von den USA immer wieder heftig gebrandmarkt wird.

In einem weiteren Beitrag berichtete er über den aktuellen Stand des Verfahrens: inzwischen sind in den letzten Jahren immer neue Fakten und Beweismittel ans Tageslicht gekommen, wonach nicht nur die Jurymitglieder im Strafverfahren erster Instanz in Miami eingeschüchtert und bedroht worden sind, sondern auch Journalisten der Printmedien und der Fernsehsender, die über den Fall berichtet haben, mit hunderttausenden US-Dollars bestochen worden sind um negative Berichte über die fünf Kubaner zu verbreiten (selbst der Miami Herald hat ein Dutzend Journalisten deswegen entlassen). Auf dieser Grundlage betreibt die Verteidigung derzeit ein Wiederaufnahmeverfahren – das Pikante daran ist, dass ausgerechnet die seinerzeit für die Verurteilung zuständige Richterin über diesen neuen Antrag entscheiden muss.

Peter Schey, der Direktor des CHRCL (Center for Human Rights and Constitutional Law) aus Los Angeles fasste den aktuellen, mehr als 40 seitigen Bericht über die Verurteilungen und unverhältnismäßigen Strafen gegen die Cuban 5 und den rechtlichen Rahmen für die humanitäre Entlassung und Repatriierung der drei verbliebenen Gefangenen nach Kuba zusammen. Der Bericht befasst sich intensiv mit den Vorwürfen der Spionage und „Konspiration zum Mord“. Letzteres im Fall von Gerardo Hernández, der zu zweimal lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt wurde, weil ihm der Abschuss eines Flugzeuges der terroristischen exilkubanischen Organisation Brothers-to-the-Rescue (BTTR) mit Sitz in Miami angelastet wird. Der Bericht kommt zu dem Schluss:

»(Die drei) Gefangenen sind jetzt über 15 Jahre in Haft. Sie waren vorbildliche „Modell-Gefangene“. Sowohl im Hinblick auf eine signifikante Fehlleitung der Justiz in ihren Fällen als auch auf das Ziel, Schritte in Richtung Normalisierung der Beziehung mit Kuba zu unternehmen, sollte die US-Regierung die Inhaftierung der drei beenden, ihre Urteile reduzieren auf die Zeit, die sie bereits abgesessen haben, und sie nach Kuba repatriieren.

Wie gezeigt hat die US-Regierung die Aktivitäten von Anti-Castro-terroristischen Gruppen in Florida gefördert, was Kubas Regierung berechtigte, Geheimdienstagenten in Florida einzusetzen; die US-Regierung hat es versäumt, angemessene Schritte zu unternehmen, um die illegalen BTTR-Flüge in kubanischen Luftraum 1995 und 1996 zu verhindern; die US-Regierung wusste genau so viel, wenn nicht mehr, als die fünf Kubaner über die Gefahren, denen die Piloten der BTTR ausgesetzt waren, wenn sie kubanischen Luftraum am 24. Februar 1996 verletzten; die Cuban 5 erhielten kein faires Verfahren in Miami; die Urteile gegen sie waren unverhältnismäßig hart und exzessiv; Gerardo Hernández‘ Involvierung in das Abschießen der BTTR anzunehmen, war völlig inkonsequent; er tat nichts, um die BTTR Piloten zu ermutigen, am 24. Februar zu fliegen; die BTTR Piloten kannten das Risiko, das sie auf sich nahmen, und akzeptierten dieses Risiko; die US-Regierung und nicht Hernández informierte die kubanische Regierung über die Flugpläne am 24.2.1996; Hernández hatte nichts mit den hohen kubanischen Militärs zu tun, die einen Mig-Piloten autorisierten, zwei BTTR-Flugzeuge abzuschießen; die US-Regierung, nicht Hernández, überwachte die BTTR- Flugzeuge und Mig-Jets in der Luft am 24. Februar mit verschiedenen Radarsystemen und verfehlte es, die BTTR-Piloten zu warnen, dass sie in Gefahr waren, von den Mig abgeschossen zu werden; die Cuban 5 sammelten und gaben keinerlei als „Geheim“ („Top Secret“) qualifizierte nationale Sicherheitsinformationen an Kuba; die Cuban 5 waren überzeugt, dass Ihre wichtigste Mission die Bekämpfung des Terrorismus war.

Aus all diesen Gründen sollte der Fall der Cuban 5 jetzt dadurch beendet werden, dass die verbliebenen drei, die lange Freiheitsstrafen in US Gefängnissen verbringen, entlassen werden, und ihnen zu erlauben, nach Hause zu ihren Familien zurückzukehren. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit und einer sensiblen Außenpolitik aus wäre dies der rationale, moralische und humanitäre Schritt, der unternommen werden sollte, um dieses 16 Jahre alte Verfahren zu Ende zu bringen.“(Bericht vom 4.6.2014 an Präsident Obama, inoffizielle Übersetzung d. Verf.)

Es folgten Beiträge weiterer Verteidiger sowie „Interventionen“ anderer Rechtsanwälte, u.a. des Präsidenten der „American Association of Jurists,“, Vanes Ramos aus Argentinien, sowie deren Beiratsvorsitzenden, und eines Vorstandsmitglieds der National Lawyers Guild (NLA), Art Heitzer, sowie von Rechtsanwaltskollegen aus Italien und Puerto Rico.

In seiner „Intervention“ erläuterte Menschenrechtsanwalt Eberhard Schultz aus Berlin, der schon im vorigen Jahrzehnt zweimal auch für den RAV und die Internationale Liga für Menschenrechte u.a. zur Prozessbeobachtung des Verfahrens in Miami und in Atlanta gewesen war und einen „amicus curiae“ (eine Art Sachverständigengutachten für eine Partei im Strafverfahren nach angelsächsischem Recht) im Verfahren vor dem Supreme Court mitorganisiert hatte, warum er den weiten Weg auch diesmal nicht gescheut hat: Es ging ihm darum, Verteidigung und Bürgerrechtsorganisationen in ihrem Kampf gegen die Verurteilung der fünf Kubaner aufgrund eines unfairen, auch von der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechts-Ausschusses und Amnesty international wegen der Verletzung von rechtsstaatlichen Mindeststandards kritisierten, Verfahrens zu unterstützen, auch weil es eine universale Aufgabe ist, Menschenrechte durchzusetzen, die – gerade in Strafverfahren mit politischem Hintergrund unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung – oft mit den Füßen getreten werden. Die aufschlussreichen Berichte über die Terroranschläge gegen Kuba wie die Haftbedingungen lassen die Cuban 5 – überspitzt formuliert – als Kriegsgefangene in dem unter Bush ausgerufenen, unerklärten „Krieg gegen den internationalen Terrorismus“ erscheinen. Rechtsanwalt Schultz verwies weiter auf aktuelle Strafanzeigen, die er in den letzten Monaten im Namen verschiedener Abgeordneter bzw. Bürgerrechtsorganisationen gestellt habe, gegen die Verantwortlichen in der deutschen Bundesregierung, dem Militär und den Geheimdiensten wegen der Unterstützung der US-Drohnenanschläge gegen tausende von Zivilisten und der NSA-Totalüberwachung. Auch dort stehe das häufig verschwiegene und ungelöste Problem des Staatsterrorismus auf der Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund seien auch MenschenrechtlerInnen weltweit aufgerufen, die Bemühungen um eine politische Lösung zu verbreiten und eine Begnadigung der Cuban 5 durch Präsident Obama zu unterstützen.

Eindrucksvolle Demonstration vor Obamas Amtssitz und von dort zum Justizministerium

Am Tag drei der Tagung fand die Rallye statt, an der insgesamt 500 Personen teilnahmen. Sie begann mit einem kurzen Demonstrationszug vom ISP (Institut for Political Studies) und einem Fahrrad-Korso zum Weißen Haus. Dort, vor dem Gartenzaun der Residenz des Präsidenten, wurden Transparente, Schilder und Fahnen gezeigt, die zentrale Losung des Kongresses als Sprechchor gerufen („Obama, Obama, Obama give me five!“) und Informationen verteilt; nach einer kurzen „Picketing-Line“ auf dem Platz vor dem Weißen Haus, begann der Demonstrationszug zu dem nicht einmal zwei Kilometer entfernten Justizministerium.

Für Berliner Verhältnisse völlig ungewohnt konnten wir problemlos eine Seite der großen Straßen mit unserem breiten Aufzug nutzen, nur begleitet von einem Streifenwagen, der an einigen Kreuzungen den lebhaften Verkehr aus den Seitenstraßen regulierte. An der Kreuzung vor dem Justizministerium fand die Abschlusskundgebung statt, auf der verschiedene RednerInnen aus mehreren Ländern das Anliegen der TeilnehmerInnen vorbrachten.

In einem kurzen Beitrag übermittelte Azize Tank die Grüße der Solidaritätsbewegung aus Deutschland. Sie betonte, dass die Rückkehr der beiden freigelassenen Kubaner zu ihren Familien auch ein Erfolg der internationalen Solidaritätsbewegung ist, wie auch der Kampf der kubanischen Helden nicht nur Kuba dient, sondern eine Ermutigung für uns alle im Kampf für eine friedliche Welt ohne Terror und Unterdrückung darstellt; jetzt müsse der Kampf für die Befreiung der restlichen drei verstärkt werden. Dafür werde sie sich auch als Bundestagsabgeordnete einsetzen, aber diese Aufgabe nicht nur als die einer Parlamentarierin verstehen, sondern vor allem als Mensch und Frau. Sie appellierte an Präsident Obama, die restlichen drei Gefangenen endlich freizulassen und rief: „Obama, Obama, Obama, gib mir fünf Kubaner!“ und schloss ihren Beitrag mit dem Ruf „Hoch die internationale Solidarität!“.

Das „Lobbying“ bei den ParlamentarierInnen im Capitol

Die letzten beiden Tage standen im Zeichen des intensiv vorbereiteten „Lobbying“ mit US-amerikanischen ParlamentarierInnen in den Räumen des Capitol Hills, d.h. Gespräche in kleineren Gruppen von jeweils sechs bis acht Gästen unserer Initiative mit vier Dutzend Abgeordneten bzw. deren AssisstentInnen, vorwiegend in deren Büros und mit unterschiedlicher Intensität und Dauer. In diesen Gesprächen wurde über das Anliegen unseres Besuches informiert und umfangreiches Material zum Fall der Cuban 5 und der Forderung nach der Freilassung der verbliebenen drei durch Präsident Obama übergeben. Parallel dazu verteilten Mitglieder der Solidaritätskomitees das Informationsmaterial an weitere 150 Abgeordnetenbüros, wo sich z. T. auch Gespräche mit den MitarbeiterInnen ergaben.

Überraschend für uns Berliner war schon der unkomplizierte Einlass zu den Kongressgebäuden ohne besondere Registrierung oder Kontrolle außer einer Überprüfung durch Metalldetektoren am Eingang – also ganz anders als die Hochsicherheitskontrollen in Gefängnissen ähnelnden Einlassmodalitäten im Deutschen Bundestag. Und so wimmelte es in den Parlamentsgebäuden auch nur so von Besuchergruppen, Touristen und anderen Menschen, die sich mit den unterschiedlichsten Anliegen an die Abgeordneten wandten. Zu erwähnen sind an dieser Stelle stichwortartig unsere ersten Eindrücke von den Gesprächen – eine umfassende Einschätzung bleibt einer genaueren Analyse aller Treffen durch das Komitee vorbehalten:

  • Demokrat Jim McGovern aus Massachusetts, ein früherer Sprecher im Menschenrechtsausschuss; er hatte sich bereits öffentlich für die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba und die Beendigung der Blockade ausgesprochen; die Bedingungen für einen Dialog und die Freilassung der Fünf durch die Obama-Administration seinen momentan günstig, das Zeitfenster aber eventuell nur kurz wegen des bevorstehenden Wahlkampfes zur Präsidentenwahl und weil er befürchte, dass der kürzlich in Kuba wegen Spionage und Subversion inhaftierte US-Amerikaner Alain Gross mit seiner Ankündigung ernst mache, das sei sein letztes Jahr im Gefängnis; die beste Möglichkeit für ausländische Gäste sehe er darin, Druck auf ihre jeweiligen Regierungen auszuüben, damit diese von Obama die Freilassung forderten.
  • Nancy Pelosi, die bekannte frühere Sprecherin der Republikaner, die sich auch für eine Normalisierung, allerdings unter der Voraussetzung einer „Demokratisierung Kubas“ ausgesprochen hatte, ließ sich durch eine Mitarbeiterin vertreten, die sich lediglich einige Notizen machte, so dass uns ausreichend Gelegenheit blieb, den altehrwürdigen Saal zu betrachten, in den sie uns mitgenommen hatte.
  • Die von uns aufgesuchte Assistentin der Abgeordneten der Demokraten Rosa DeLaura, die sich ebenfalls öffentlich für den Dialog und die Beendigung des Embargos ausgesprochen hatte, war sehr interessiert, hatte viele Nachfragen und versprach, unser Anliegen als besonders dringlich weiterzugeben; als wir gerade das schriftliche Info-Material übergeben hatten und uns verabschiedeten, erschien die Abgeordnete selbst, begrüßte uns herzlich und stand uns noch für einen kurzen Fototermin zur Verfügung, bevor sie zu ihrem nächsten Termin musste.
  • Der Abgeordnete der Demokraten David Price, der sich ebenfalls für Verhandlungen mit Kuba ausgesprochen hatte, hörte sich unsere Anliegen interessiert und nachdenklich an. Auf die Frage von Azize Tank, was er von ihrer Absicht einer gemeinsamen parteiübergreifenden Initiative von ParlamentarierInnen aus verschiedenen Ländern halte, meinte er, das sei hinsichtlich unserer Kritik an dem unfairen Verfahren wohl eher schwierig, weil sich das Parlament traditionell ja nicht in Angelegenheiten der unabhängigen Justiz einmische, anders ließe sich das aber bei den Forderungen nach einer humanitären Lösung durch Präsident Obama und von Verhandlungen mit Kuba sehen, das halte er für möglich und sinnvoll, wenn es eine genügend große Zahl von Unterstützenden gebe.

Wir sind gespannt und warten auf erste Ergebnisse dieser Lobby-Gespräche, insbesondere hinsichtlich der Idee eines Offenen Briefes von ParlamentarierInnen aus vielen Ländern und der ebenfalls von Azize Tank eingebrachten Idee eines internationalen Netzwerkes von ParlamentarierInnen, die von den anwesenden ParlamentarierInnen, mit denen wir sprachen, unterstützt wurde.

Erschöpft und mit gemischten Gefühlen aber voller Erwartungen verließen wir das Regierungsviertel und begaben uns am Abend des letzten Tages zu einer Veranstaltung in die Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela. Umrahmt von der mitreißenden Musik einer internationalen lateinamerikanischen Gruppe sprachen außer der Botschafterin Venezuelas und dem Sekretär der Interessenvertretung Kubas in den USA sowie anderen VertreterInnen lateinamerikanischer Staaten die InitiatorInnen der Fünf Tage, unterschiedliche VertreterInnen der Komitees verschiedener Länder und der spanische Journalist und frühere Herausgeber von Le Monde Diplomatique, Ignacio Ramonet. Er stellte die beiden Komplexe Freilassung der Cuban 5 sowie Dialog und Verhandlungen mit Kuba in einen historischen Zusammenhang, dessen Quintessenz lautete: Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen Kubas im internationalen und lateinamerikanischen Kontext (Neubestimmung des Verhältnisses zu Kuba durch die EU, Amerika-Gipfel im kommenden Jahr mit der Gefahr einer völligen Isolierung der USA) sowie der jüngsten Meinungsumfragen in den USA (die Mehrheit nicht nur in den USA, sondern auch in Florida wollen inzwischen unbeschränkte Reisemöglichkeiten und eine Normalisierung der Beziehungen) bliebe der USA gar keine andere Wahl als die Freilassung und die Normalisierung, wollte sie ihren Anspruch auf Demokratie und Eintritt für die Menschenrechte realisieren; vielleicht sei ja das soeben zur Vorbereitung des Wahlkampfes von Hillary Clinton veröffentlichte Buch ein Ausdruck dieses Wunsches, weil sie dort für eine Normalisierung der Beziehungen werbe.

Abschließend dankten mehrere RednerInnen den OrganisatorInnen unter großem Beifall für ihre umsichtige Vorbereitung und dem unermüdlichen Einsatz und alle verabredeten sich zu einem großen Fest mit allen fünf Cuban 5 zusammen in Havanna.

Berlin, den 15.6.2014

Azize Tank und Eberhard Schultz

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