Revisions-Hauptverhandlung gegen palästinensischen Demonstranten

Revisions-Hauptverhandlung gegen palästinensischen Demonstranten am Dienstag, den 7. September 2010 im Berliner Kammergericht

Am morgigen Dienstag findet die Hauptverhandlung über die Revision der
Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom März des Jahres statt.

Darin war der Kinderkrankenpfleger Issa H. in zweiter Instanz von den Vorwürfen der Volksverhetzung, öffentlichen Verwendung von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation und des Gebrauchs von Symbolen verbotener NS-Organisationen (86a des Strafgesetzbuches) und des Verächtlichmachens einer Religionsgemeinschaft wegen eines Protest-Plakates auf einer Demonstration gegen den Gazakrieg im Januar 2009 freigesprochen worden. Das Amtsgericht hatte ihn zuvor zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.

Das Landgericht hatte sich ernsthaft mit den Argumenten der Verteidigung auseinandergesetzt, wonach die Anklagevorwürfe der Staatsanwaltschaft haltlos sind und die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Kunstfreiheit und der Demonstrationsfreiheit verletzen. Das freisprechende Urteil des Landgerichts ist von der Staatsanwaltschaft mit der Revision angefochten worden, allerdings nur wegen des Vorwurfs nach § 86a StGB.

Issa H. wollte mit einem selbstgemalten Pappschild »Wer wegsieht, ist schuldig!« in deutsch und arabisch und den Symbolen „David-Stern = Hakenkreuz“ gegen die Massaker des israelischen Militärs im Gaza-Krieg auf der Demonstration „Solidarität mit Palästina“ am 09. Januar 2009 protestieren. (vgl. die früheren Pressemitteilungen).

Darin sieht die StA entgegen dem Landgericht einen Verstoß gegen § 86a, weil es dabei weder auf die Angriffsrichtung noch die politische Motivation ankomme.

Demgegenüber geht das Landgericht von einer Straflosigkeit aus, insbesondere aufgrund der Einlassung des Angeklagten, Fernsehbilder von den Massakern des
israelischen Militärs im Gaza-Krieg hätten ihn an eigene Erlebnisse als Kind im
palästinensischen Flüchtlingslager im Süd-Libanon erinnert und er habe sich spontan entschlossen, ein Plakat zu malen – angeregt durch Berichte von den weltweiten Protesten, auf denen ähnliche Plakate und Transparente zu sehen waren; er habe sich mit den Symbolen – dem Hakenkreuz für den Völkermord an den Juden, dem Davidstern für den heutigen israelischen Staat – und dem Appell, nicht wegzuschauen, an die hiesige Öffentlichkeit gewandt; gerade aus der Verantwortung gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus, die schon vor dem Holocaust mit Pogromen und Kriegsverbrechen begonnen hätten.

Die Verteidigung ist zuversichtlich, dass die Revision der StA letztlich keinen Erfolg haben wird.

H. Eberhard Schultz
Ort: Kammergericht, Saal I/345a, Elßholzstr. 30-33, Berlin-Schöneberg (U7 Kleistpark)
Zeit: 7.9.2010, 10:00 Uhr

Presseerklärung

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